Kunst:Soghafte Visionen

Kunst: Malerei und Skulpturen von Shannon Finley sind in der Galerie von Walter Storms zu sehen.

Malerei und Skulpturen von Shannon Finley sind in der Galerie von Walter Storms zu sehen.

(Foto: Shannon Finley)

Neue Ausstellungen in den Galerien von Rüdiger Schöttle und Walter Storms

Von Evelyn Vogel

Vom Vergessen und Verschwinden, vom Trauma des Verlusts und des Schmerzes, aber auch von den Versuchen, der Flüchtigkeit etwas entgegenzusetzen und Erinnerung zu verarbeiten künden die beiden aktuellen Ausstellungen in der Galerie von Rüdiger Schöttle. Eine Neuentdeckung für München ist dabei die 1979 in Ho Chi Minh City, dem früheren Saigon, geborene Künstlerin Thu Van Tran. Als Kind mit den Eltern nach Frankreich geflüchtet, sind ihre Erinnerungen geprägt von Kriegs- und Migrationserfahrung.

In ihrer Malerei legt sie fast richterhaft Farbschichten übereinander. Dabei kragen an den Seiten erkennbar die Farben der Regenbogen-Herbizide aus, die die US-Streitkräft im Vietnamkrieg versprühten. Das bekannteste der farblich gekennzeichneten Entlaubungsmittel war Agent Orange, dessen Auswirkungen auf Mensch und Natur bis heute sichtbar sind. Auch die Zerstörung der Wälder durch Gummibaum-Monokulturen macht Thu Van Tran zum Thema, beispielsweise in ihren Objektarbeiten wie dem Schachspiel, bei dem Figuren aus dem Saft der Rubbertrees gegeneinander antreten. Eine Wandarbeit auf dem Treppenabsatz mit einem Ausschnitt wie einem leerem Fenster in die Vergangenheit - oder ist es die Zukunft? - wo nur das Nichts zu herrschen scheint, führt in die obere Etage.

Dort zeigt Schöttle erneut Arbeiten des 1981 geborenen lettischen Künstlers Jānis Avotiņš, den er seit 2005 auf seinem künstlerischen Weg begleitet. Auch hier bleibt vieles flüchtig. Figurationen stellt Avotiņš ephemer und ohne gesellschaftlichen Kontext dar, sie scheinen sich aufzulösen, wirken schemenhaft wie aus Filmen mit parapsychologischen Phänomenen. Die meist in dunklen Farben konstruierten Räume muten fragmentiert an und erfordern die Imagination des Betrachters. Nur allmählich schälen sich aus den Strukturen Sakralräume heraus. Raum und Figuration könnten aus dem Reich des Übersinnlichen stammen. Tatsächlich aber klagt Avotiņš damit viel mehr den Mangel an gesellschaftlicher Zugehörigkeit des Menschen an und dessen unaufhaltsame Isolation.

Jānis Avotiņš: Find A Point From Which To See And Yet Avoid The Glow und Thu Van Tran: Colors of grey, Galerie Rüdiger Schöttle, Amalienstr. 41, beide bis 30. März, Di.-Fr. 11-18 Uhr, Sa. 12-16 Uhr

Mit zwei sehr unterschiedlichen Ausstellungen wartet Walter Storms derzeit auf. In der Industriearchitektur in der Schellingstraße zeigt er Malerei und - ganz neu - Skulpturen von Shannon Finley. Der 1974 in Kanada geborene Künstler lebt in Berlin und wird seit 2012 von Storms in München präsentiert. Finley konstruiert seine malerischen Arbeiten vollkommen digital am Computer, überträgt sie dann aber analog mit selbst konstruierten Edelstahlspachteln und mit bis zu 40 Farbschichten auf Leinwand. Die Ergebnisse sind zumeist sehr dynamisch wirkende dekonstruierte Strukturen - mal in Schwarz-Weiß-Stufen, mal von intensiver Farbigkeit. Dagegen wirken die erst in jüngster Zeit entstandenen Stahlobjekte wie dunkel-fragmentierte Riesen, die sich gut in den Ausstellungsräumen behaupten.

Noch mehr Fragmentierung, Konstruktion wie Dekonstruktion kann man in den Altbauräumen von Storms in der Ismaninger Straße erleben. Dort ist die jüngste Serie des bekannten Münchner Fotografen Roland Fischer zu sehen: "Transhistorical Places" hat Fischer die Arbeiten genannt, die sich ebenfalls an einer Schnittstelle befinden. Auf Raumaufnahmen einer weltweit fotografierten brutalistischen Architektur - meist digital fotografiert, mitunter aber auch noch aus analogen Zeiten stammend - legt er am Computer Farbflächen und Schattenstrukturen frei. Diese staffeln die Aufnahmen verstärkt in die Tiefe, verleihen den Fotografien einen fast malerischen Aspekt und erweitern die 2-D-Aufnahmen optisch zu 3-D-Visionen. Die Arbeiten entwickeln dabei einen ungeheuren Sog und lassen die ursprünglichen Unter- und Aufsichten zu verwirrend irritierenden Raumstrukturen werden. Nichts ist, wie es scheint. Hier ist die Wirklichkeit zwar nicht flüchtig, aber sehr stark fragmentiert.

Shannon Finley: Convergence, Galerie Walter Storms, Schellingstraße 48, bis 20. April, Di.-Fr. 11-18 Uhr, Sa. 11-16 Uhr; Roland Fischer: Transhistorical Places, Walter Storms Galerie, Ismaninger Straße 51, bis 31. Mai

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