Kunst:Schlafende Hunde

Kunst: Karin Kneffel, ohne Titel, 1996

Karin Kneffel, ohne Titel, 1996

(Foto: VG Bild-Kunst, Bonn 2019)

"Zu dekorativ" - vor allem für eine Frau: Sind die Pfirsiche der Malerin Karin Kneffel harmlos? Eine Ausstellung in Baden-Baden klärt auf.

Von Catrin Lorch

Auf dem zweiten Treppenabsatz fragt man sich schon, ob sie sich noch ein bisschen wölben, diese Pfirsiche. Rot, orange und gelb leuchten sie einem entgegen, sie sind rund und prall, und obwohl sie noch am Ast hängen, hat man das Gefühl, sie würden einem gleich auf den Kopf fallen. Reif und schwer wirken sie, als müsste ihr Gewicht die Leinwand ausbeulen. Sie sind so groß, dass man beim Pflücken beide Arme ausbreiten müsste. Das mehr als sieben Meter hohe, aus vier Tafeln zusammengesetzte Bild wird einem auf allen vier Etagen wiederbegegnen, es hängt neben der Treppe und verklammert so die Retrospektive "Karin Kneffel" im Museum Frieder Burda. Was dazu führt, dass man - rückblickend - das Gefühl hat, die mehr als 140 Werke der Ausstellung hingen im Geäst.

Lange war Obst so etwas wie das Markenzeichen der Malerin Karin Kneffel, die in den Neunzigerjahren mit solchen samtigen Pfirsichen, monumentalen Äpfeln und Traubenbüscheln bekannt wurde. Man konnte ihre Malerei als Arbeit einer Zeitgenossin am Thema Stillleben und Pop-Art zugleich sehen. Man konnte sich aber auch einfach an der Präsenz und Farbigkeit dieser Malerei erfreuen. Bald kamen auch Tiere auf die Leinwand: Hühner, Ziegen, Ochsen und wollige Schafe, die Kneffel aber ungewohnt als Brustbilder porträtierte. Die Tiere schauten also aufmerksam zurück. Und weil die Motive so lebendig waren, fiel lange nicht auf, dass Karin Kneffel nicht nur virtuos malt, sondern auch konzeptuelle Ambitionen hat. Was nicht verwundert, absolvierte sie die Düsseldorfer Akademie doch als Meisterschülerin von Gerhard Richter.

"Zu dekorativ, für eine Frau deswegen ungeeignet"

Auf den ersten Blick ist ein größerer Gegensatz als der zwischen ihrer opulenten, mit klassischen und historischen Bezügen aufgeladenen Kunst und dem kühlen, aus Medienbildern und Privataufnahmen schöpfenden und der Zeitgeschichte und Avantgarde verpflichteten Œuvre ihres Lehrers kaum vorstellbar. Doch der Abstand ist gewollt, freimütig erinnert Kneffel im Interview daran, dass ihre Motive - Tiere und Obst - zu ihrer Studienzeit nicht viel galten: "Zu dekorativ, für eine Frau deswegen noch ungeeigneter." Karin Kneffel ist dabei geblieben, die Malerei fast gleichmütig weiter voranzutreiben. Für ihre monumentalen Formate braucht sie Monate, seit einigen Jahren pinselt sie sich durch Interieurs; erst waren es Teppiche (auf denen Eisbärfelle oder schlafende Hunde lagen), dann moderne Villen und Museen.

Dass diese Malerin atemberaubende Effekte aus dem Handgelenk schüttelt, führt dazu, dass man die spukig beleuchteten Innenräume mit dem Blick durchwandert wie eine Filmszene oder den Schauplatz eines Verbrechens (das womöglich noch nicht stattgefunden hat). Karin Kneffel kann nicht nur eine Panoramascheibe unübersehbar in Szene setzen, sondern auch noch gewaltige Wassertropfen daran haften lassen. In denen sich dann die vielen Details noch einmal zu wiederholen und zu brechen scheinen. Das Gefühl, irgendwie außerhalb der Zeit und der Handlung zu stehen, verstärkt sich, wenn Karin Kneffel Reinigungspersonal als kleine Figuren szenisch inmitten tiefer Ruhe auftreten lässt. Aber die Seifenblasen, die der Wischmopp auf dem Glaskubus im Museumsfoyer hinterlässt, ist wahrscheinlich das Aufregendste, das Malerei heute dem Auge zu bieten hat.

Karin Kneffel. Museum Frieder Burda, Baden-Baden. Bis 8. März. Katalog: 49,80 Euro.

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