Süddeutsche Zeitung

Zum Tod des Malers Heinz Butz:Die Kraft von Punkt und Strich

Der Münchner Künstler Heinz Butz ist im Alter von 96 Jahren gestorben.

Von Gottfried Knapp

Als die Städtische Galerie im Lenbachhaus in München 2015 ihre Sammlungen zeitgenössischer Kunst neu ordnete, erregten zwei Räume, an deren Wänden winzige Bildtäfelchen von eigentümlichem Zuschnitt und schlichter Farbigkeit schwebten, große Aufmerksamkeit. Wahrscheinlich waren diese Werke nur ausgesucht worden, weil ihr Schöpfer, der Münchner Maler und Akademieprofessor Heinz Butz, in diesem Jahr 90 Jahre alt wurde. Auf die Besucher des Museums aber, die beim vorgeschlagenen Rundgang durch die Gegenwartskunst mit aggressiven Materialien und raumsprengenden Installationen konfrontiert wurden, mussten die kleinen Bildobjekte, die mit klug gesetzten Form- und Farbsensationen ins Auge stachen, verblüffend frisch wirken.

Wer sich in der 2018 erschienenen Butz-Monografie einen Überblick über sein Werk verschafft, der kann nur staunen über die Geradlinigkeit, mit der dieser die schon in den frühesten Gemälden erkennbaren Gestaltungsprinzipien über Jahrzehnte hinweg weiterentwickelte. Auf den ersten Bildern sind die abgebildeten Gefäße und Möbel noch erkennbar, doch die Farben sind schon auf dunkle Einheitstöne reduziert. Von den Konturen aber bleiben nur noch die senkrechten, waagrechten und kreisförmigen Linien stehen. Die angedeuteten Körper werden also immer entschiedener abstrahiert. Die auf diese Weise gewonnenen abstrakten Formen entwickeln formale Kräfte, die ohne gegenständliche Assoziationen auskommen und riesige neue Erlebnisfelder erschließen.

Man könnte Butz' künstlerisches Verfahren als methodische Improvisation mit den zeichnerischen Urelementen Punkt und Strich charakterisieren. Ein Punkt - das weiß jeder - setzt auf einer leeren Fläche eine Markierung, die alles, was an Elementen dazukommt, zu Reaktionen zwingt. Reihen von Punkten entwickeln eine sehr spezifische räumliche Dynamik, die sich verändert, wenn weitere Reihen sich dazugesellen. Linien wiederum haben eine andere Wirkungsweise. Wenn sie Kurven schlagen, sich kreuzen und Schleifen bilden, umranden sie Flächen, die eine eigene Kraft entfalten und nach farblicher Charakterisierung verlangen. Die so definierten Farbfelder setzen sich auf dem Bildrechteck wirkungsvoll voneinander ab, sie können aber auch schichtweise aus der Komposition heraustreten. Immer wieder hat Butz solche zeichnerisch definierten Formen tatsächlich aus Spanplatten herausgesägt, bemalt und als gezackte Einzelobjekte in den Raum gestellt.

Im Lenbachhaus waren verblüffend lebendige Prototypen all dieser in Jahrzehnten entwickelten Bildformen ausgestellt. Bis wenige Tage vor seinem Tod hat Heinz Butz in seinem Atelier weitergearbeitet. Am 8. August ist er im Alter von 96 Jahren in München gestorben.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5637903
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/jhl
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.