Süddeutsche Zeitung

Kunst:Leuchtendes Leben

Das Museum Kulturspeicher in Würzburg stellt mit Walter Ophey einen Wegbereiter der Moderne vor, der sich mit ganz eigenem Farbempfinden durch die Kunstströmungen seiner Zeit treiben ließ

Von Florian Welle

Den Drang, farbiger zu malen, hatte Walter Ophey schon lange. Dann, auf einer Reise nach Paris 1911, folgte nach einer Phase sonnenlichtgebleichter Bilder sein "Sprung in die Farbe", wie er später formulierte; und mit ihm bis zu seinem Tod 1930 ein Werk, das an Originalität seinesgleichen sucht. Zu Lebzeiten war der Künstler deutschlandweit bekannt. Dann kamen die Nazis und diffamierten sein Werk als "entartet". Mit dem Ergebnis, dass es heute außerhalb des Rheinlandes immer noch der Entdeckung harrt.

Sprung in die Farbe: So entsteht, kaum aus Paris zurück, das Bild "Park am Benrather Schloss"; Grün, Rot, ein helles Blau streben dort als Bäume mit fleckig gesetzter Verve nach oben. Ein paar Jahre später - der Krieg hat Europa überzogen, und Ophey lag im Lazarett - folgt der Griff zur Farbkreide, mit der er schon zuvor auf einer Schweizer Reise experimentiert hatte. Es entstehen einige Blätter, die nur aus leuchtend bunten, auf außergewöhnliche Art verwischten Linien (für Fenster, Tische, Betten, die Genesenden) bestehen und auf ihre Weise vom Krieg erzählen: als Ort der Apathie.

Ab Mitte der Zwanzigerjahre, die Farben sind insgesamt dunkler, ruhiger geworden, widmet er sich vermehrt der Stadt, der modernen Zivilisation; malt Bagger, die wie Insekten aussehen und ein Eigenleben zu führen scheinen. Und er vertieft sich, quasi als Kontrast zur Technik, in das Figurenstillleben. Holzskulpturen und Puppen bekommen die Anmutung von Fetischen. Auch geht immer etwas Unheimliches im Freudschen Sinne von ihnen aus. "Farbe bekennen" heißt die Ausstellung, die derzeit im Museum im Kulturspeicher Leben und Werk von Walter Ophey vorstellt. Sie ist eine Übernahme vom Düsseldorfer Museum Kunstpalast, das über den größten Bestand an Arbeiten des 1882 in Eupen geborenen und Zeit seines Lebens in Düsseldorf ansässigen Malers verfügt und diese im vergangenen Jahr nach sehr langer Zeit wieder einmal in einer Überblicksschau präsentierte.

Die Würzburger übernahmen und modifizierten sie leicht. Kuratorin Henrike Holsing ließ einige Bilder weg, nahm andere hinzu und bekannte ihrerseits Farbe, indem sie die Werke mitunter vor bunten Wänden präsentiert. Inspiriert wurde sie von Opheys Wohnung, in der die Räume gelb, dunkelrot und violett angestrichen waren. Der Titel "Farbe bekennen" ist mehrdeutig. Zum einen bezieht er sich auf den Künstler, der von sich einmal sagte, voll Eroberungslust in die Terra incognita der Farbe aufgebrochen zu sein. Dabei ließ er sich nie beirren. Früh gestand er seiner späteren Frau Bernhardine Bornemann: "Ich werde keinen Schritt von meinem Ziel abgehen und eher einem ins Gesicht spucken, als dass ich Publikumsbilder male." Zum anderen besitzt "Farbe bekennen" eine übertragene Bedeutung. In dem Sinne, dass es Zeit wurde, zu dem Künstler zu stehen und ihn endlich auch außerhalb des Rheinlandes zu würdigen.

Ophey war eigenwillig, keine Frage. Verpasst einer Porträtierten grüne Zähne. Und wer bitte schön setzt sich schon längere Zeit mit einem Sandbruch auseinander? Von 1910 bis 1912 malt er "Kinder im Sandbruch", "Reiter im Sandbruch" und viele Male nur den Sandbruch, der bei ihm schon mal die Anmutung eines Weizenfeldes von van Gogh annehmen kann. Ein Außenseiter aber war er deshalb noch lange nicht. Im Gegenteil, er war gut vernetzt, erfolgreich. Er war eines der jüngsten Mitglieder des "Sonderbundes" und als solcher Wegbereiter der Moderne. Nach dem Krieg gehörte er der Künstlervereinigung "Das Junge Rheinland" an.

Die prächtige Ausstellung ist chronologisch geordnet, so dass man Schritt für Schritt nachvollziehen kann, wie Ophey sich sämtliche Strömungen seiner Zeit vom Impressionismus über Pointillismus bis zum Kubismus und darüber hinaus auf eigenwillige Weise anverwandelte und daraus etwas Eigenes schuf. Er war ein großer Musikliebhaber, was man in allen Bildern, den zarten ebenso wie den kräftigen, zu spüren meint. "Können auch Farben so rauschen und sagen und singen und klingen?", fragt er sich am Beginn seiner Karriere. Mit seinem Werk hat er den Beweis geliefert. Ja, sie können.

Walter Ophey - Farbe bekennen; Museum Kulturspeicher Würzburg, Oskar-Laredo-Platz 1, Di 13-18 Uhr, Mi 11-18 Uhr, Do 11-19 Uhr, Fr-So, 11-18 Uhr, bis 19. Januar

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Quelle:
SZ vom 20.11.2019
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