Kunst:Laura Poitras in Palermo

Laura Poitras
Mixed media installation

In collaboration with: Sebastiano Caceffo, Federico Cammarata, Luca Capponi, Miriam Cossu Sparagano Ferraye, Filippo Foscarini, Andrea Mafrica, Basilio Maritano, Claudia Mastroberto, Rosario Minervini, Serena Odd
(Foto: Laura Poitras)

Von Sonja Zekri

Die alten Bewohner Palermos kommen ja vor allem zur Manifesta 12, weil die Kunstausstellung ihnen einen Sommer lang die verschlossenen Paläste öffnet. Eingedrückte Decken und schwankende Treppenhäuser zwischen maurischen Mosaiken und Barockgemälden - hätte die Manifesta nichts erreicht, als die Tür zu diesen verwunschenen Orten aufzustoßen, sie wäre jeden Besuch wert. Aber sie sprenkelt auch noch Gegenwart und Kontroverse in die historischen Gemäuer, und davon profitieren beide: Gemäuer und Gegenwart. Besonders schön ist das in Laura Poitras Installation "Signal Flow" im Palazzo Forcella De Seta zu sehen, einem eklektischen Prachtkasten am Meer. Die Oscar-Preisträgerin Poitras greift einen Aspekt sizilianischen Lebens auf, der fast so umstritten ist wie die Mafia: der amerikanische Militärstützpunkt auf Sizilien. Seit 30 Jahren kämpfen die Sizilianer vergeblich gegen Muos, wie die Abkürzung für das "Mobile User Objective System" lautet. Doch das Dickicht aus Parabolantennen und Drohnenanlagen in den sizilianischen Korkwäldern wächst, denn Siziliens Lage an der Schwelle zum Nahen Osten ist für die Amerikaner einfach zu günstig. Auf einer Riesenleinwand lässt Poitras die Besucher durchs moosige Unterholz und regennasse Wege auf den riesigen militärisch-technischen Muos-Komplex zuschweben und ergänzt diesen halb meditativen, halb bedrohlichen Kameradrohnensuperschuss in einem Nachbarraum durch Arbeiten italienischer Filmemacher. Geradezu prototypisch für die Nähe der zeitgenössischen Kunst zum Journalismus, vor allem aber zur Literatur, zum Drama, erzählt einer der Filme den Fall des Unglücksfluges IH 870. Die Itavia-Maschine nach Palermo stürzte im Juni 1980 ins Meer, mehr als 80 Menschen starben. Der Film zeigt Gespräche zwischen italienischen Fluglotsen und Behörden, US-Diplomaten und Nato-Personal, Richtern und Staatsanwälten, und allmählich lässt sich - wie in einem Thriller - das Ungeheuerliche erahnen: IH 870 wurde wenige Kilometer von Palermos Palästen entfernt von einer Nato-Rakete abgeschossen.

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