Kunst:Kongo in Öl im Kunsthaus Graz

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(Ausschnitt) (Foto: Monsengo Shula, Farida and Henri Seydoux Collection © westudio.fr)

Von Till Briegleb

Die Welt hat eine andere Ordnung im Kongo. Die schwarzen Astronauten im Weltall sind in bunt gemusterte Anzüge verpackt, die satanische Verführerin Mami Wata erscheint den Männern weiß, und der Chinese, der das fette Geld bringt, sieht aus wie eine rassistische Karikatur. Die künstlerische Verständigung in Afrikas zweitgrößtem Land, das vermutlich auch die zweitgrößten Probleme auf dem Kontinent hat, was Freiheit, Frieden, Wohlstand und Entwicklung betrifft, ist umstandslos direkt, mal plakativ, mal bizarr. Erkennt man die Auswahl in der großen Ausstellung "Congo Stars" im Kunsthaus Graz mit circa 70 Künstlern als repräsentativ an, dann verstehen sich die stilgebenden Stimmen der Republik Kongo/Zaire seit der Unabhängigkeit 1960 als alternative Medien. In dem rohstoffreichen Land, das seit der Gräuelherrschaft des belgischen Königs Leopold II. keinen Moment echter Stabilität mehr erlebt hat, sind Maler Kommentatoren in Öl. Mal scharf, mal satirisch, mal surreal, mal comic-haft berichten ihre "Wandzeitungen" über das politische, soziale und religiöse Leben. Staatliche und häusliche Gewalt sind ebenso Thema dieser grellen kritischen Begleitung wie absurde Kulte und das Weltraumprogramm der Siebziger, Aids und Minenarbeit, Marabouts und Fußball. Entgegen der immerwährenden Angst in 120 Jahren Gewaltherrschaft ist der Chor dieser Bilder erstaunlich selbstironisch. Ein Trotz zum Leben äußert sich in figurenreichen Erzählungen von urbanen Riten und Moden als subtiler Widerstand. Mythos und Technik berühren sich in jenem schrillen Stil, der als Afrofuturismus weltweit immer populärer wird. Aber überall scheinen die politischen Zustände einer endlosen Diktatur durch die Szenerien. Personenkult, Korruption und staatlicher Terror ziehen sich wie ein roter Stacheldraht durch diesen speziellen Bildkosmos. Deshalb ist diese Ausstellung auch nur mit ihrer enormen Textmasse verständlich. Informationen zu den einzelnen Motiven und eine ausführliche Zeitleiste (die allerdings die belgische Kolonialherrschaft mit etwa zehn Millionen ermordeten Kongolesen erschreckend marginalisiert) erweitern diese Kunstausstellung zur Geschichtsstunde. Ihre hoffnungsvolle These? Dass Fantasie am Ende siegt.

© SZ vom 03.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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