Kunst in der Mitte von Nirgendwo:Prada, Texas

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Das Künstlerduo Elmgreen & Dragset hat einen Mode-Shop mitten in die Wüste gepflanzt. Anfang Oktober wurde "Prada Marfa" eröffnet - wenn man eine versiegelte Vitrine denn überhaupt eröffnen kann.

CORDULA VIELHAUER

Der neue Prada-Shop steht nicht in Paris, Schanghai oder Rom - er steht an einer verlassenen Straße in der texanischen Wüste irgendwo bei Marfa, genauer gesagt bei dem Örtchen Valentine.

Die Kiste wird einfach langsam verfallen. (Foto: Foto: Elmgreen & Dragset)

Er ist auch kein Einkaufsladen, obwohl er so aussieht: "Prada Marfa" ist eine Installation des dänisch-norwegischen Künstlerduos Elmgreen & Dragset, das in Berlin wohnt; die Architektur stammt von Jörg Boettger.

Anfang Oktober wurde "Prada Marfa" eröffnet - wenn man eine versiegelte Vitrine überhaupt eröffnen kann, denn hinein kommt man nicht. Finanziert hat das Projekt der Art Production Fund (APF) zusammen mit dem Ballroom Marfa; das Modeunternehmen trug seinen Teil zu dem seltsamen Kunstwerk bei - und stellte Schuhe und Taschen zur Verfügung.

Nicht zufällig wurde für das Shopping-Kunstwerk dieser gottverlassene Ort ausgesucht: Unweit von Marfa befindet sich die Chinati Foundation, ein Kunstpark der besonderen Sorte, ins Leben gerufen von Donald Judd, der hier seine minimalistischen Skulpturen und Installationen in einem eigens geschaffenen räumlichen Gesamtkunstwerk auf Dauer ausstellt. Und es ist natürlich auch kein Zufall, dass hier ausgerechnet die Herbst-Kollektion 2005 von Prada ausgestellt wird - und nicht etwa die von Chanel oder Armani.

An Prada arbeitet sich die Kunstwelt ab, Prada - mit der gleichnamigen Stiftung in Mailand und den avantgardistischen "Epi-Zentren" in Japan und USA - gilt immer noch als führender Dresscode in der Kunstszene.

Bereits im Jahr 2001 war das Modelabel Thema einer Aktion von Elmgreen & Dragset. Damals beklebten sie das Schaufenster der Tanya Bonakdar Gallery in New York mit einer Aufschrift in der Typografie des Original-Logos: "Opening soon - PRADA". Selbstverständlich wurde hier nie ein Prada-Shop eröffnet; es blieb bei einer hoffnungsvollen Irritation, die so eigenartig dann aber doch nicht wirkt: Schließlich ähneln die Interieurs der Prada-Flagship-Stores in ihrem edlen Minimalismus nicht selten den musealen white cubes der Kunsthallen und Galerien.

Konsumkritik möchte man den Künstlern daher nicht allein unterstellen. Ihre Arbeit bezieht sich vor allem auf den kunsthistorischen Diskurs zum white cube. Dieser seit Duchamps Ready-mades das Kunstwerk auszeichnende und ermöglichende Präsentationsrahmen hat sich seit den sechziger Jahren immer mehr zum Ausstellungsgegenstand selbst - zur "Kunst in Potenz" (Brian O'Doherty) - entwickelt. Die Irritation des Betrachters, ausgelöst durch die Implementierung eines Alltagsgegenstands oder einer skurrilen Situation in den musealen Kontext, wird nun, mit "Prada Marfa" allerdings in die Weite der Wüste ausgelagert, an die Stelle des Museums als vermittelndem Kontext tritt lediglich das Wissen um Kunstgeschichte und Pradas Präsenz als Kunstgegenstand. Falls überhaupt mal einer vorbei kommt.

"Prada Marfa" ähnelt im Œuvre von Elmgreen & Dragset beispielsweise einem von den Künstlern in der Wiese vor dem Kunstmuseum Reykjavik versenkten "Galerieraum", einer von oben einsehbaren, rund zwanzig Quadratmeter großen Kiste mit Wänden, Tisch und Stuhl - dem abstrahierten Eins-zu-eins-Modell einer Kunstgalerie. Oder dem temporären "Cruising Pavillon" als Treffpunkt für Schwule in einem öffentlichen Park im dänischen Århus, gewissermaßen der institutionelle Fixierung eines hier ohnehin stattfindenden Rituals, das aber vormals lediglich in den dunklen Büschen des Parks geduldet wurde.

Die Auseinandersetzung mit dem Museum als Ort künstlerischer Repräsentation und die Einführung paradoxer, träumerischer oder sexueller Elemente im musealen Kontext findet man ebenfalls in der Arbeit "Powerless Structure Fig.11" von 1997: Hier installierten die Künstler im letzten Raum des Louisiana-Museums bei Kopenhagen, wo es einen Panaroma-Meerblick gibt, ein Schwimmbad-Sprungbrett - frei nach dem Motto, dass der schönste Anblick im Museum eben der Ausblick ist. Die "Powerless Structures Fig. 161, 184, 188", überdimensionale Transportkisten wertvoller Kunstwerke, stehen dagegen Kopf, sind ausgelaufen oder aufgeplatzt - obwohl sie Aufschriften wie "Handle with Care" oder "Fragile" tragen.

Und nun: Prada, Texas. Es wurden schon Cowboys gesehen, die verwundert in die Schaufenster starrten und das wüstenuntaugliche Schuhwerk kritisch beäugten. Dem Duo dürfte es recht sein; es wünscht sich die zwischen Neugier, Befremdung und Amusement schwankenden Reaktionen als Teil der Performance, die ihr Raumkunstwerk auslösen soll.

Die verräumlichte Satire - ein Prada-Shop in der Wüste ist wie ein Star ohne Presse - soll übrigens weder konserviert noch zerstört werden. Die Kiste wird einfach langsam verfallen.

© SZ v. 26.10.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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