Zensur in Hongkong:M+ oder M-?

415; 415 M+ Museum in HongKong

Das mindestens 750 Millionen Dollar teure Museum M+ soll die Kunstszene dauerhaft in Hongkong verankern. Der Bau in West Kowloon eröffnet Ende des Jahres.

(Foto: Herzog & de Meuron)

Das in freieren Zeiten geplante Museum M+ sollte Hongkong als Kunststadt etablieren. Wie weit Chinas Einfluss reicht, zeigt sich nun daran, ob es Werke von Ai Weiwei zeigen darf - oder nicht.

Von Catrin Lorch

Das Museum spiegelt sich in den Meereswellen, die Hongkongs Distrikt West Kowloon umspülen. Es ist ein gewaltiges Unternehmen: Den Bau haben die Schweizer Stararchitekten Herzog & de Meuron entworfen, der Sammler Uli Sigg hat seine millionenschwere Kollektion gestiftet. Für Hongkong war mit dem Museum M+ immer die Hoffnung verknüpft, dass die Metropole mehr sein könnte als nur eine asiatische Drehscheibe des Kunsthandels: eine Stadt, in der die Kunst zu Hause ist. Einerseits weil ein Museum das Versprechen von Dauer enthält, als kostspieliges und aufwendiges Engagement für die Kunst und die Kunstgeschichte. Und andererseits weil der weitläufige, aus natürlichem Licht, hellem Sichtbeton und Bambusmöbeln komponierte Bau bis zu seiner um Jahre verspäteten Fertigstellung wohl deutlich mehr als die ursprünglich angesetzten 750 Millionen US-Dollar gekostet haben wird. Er soll das Aushängeschild der Kunstmetropole werden, mit 33 Sälen, weiten Foyers, Auditorium und Bibliotheken.

Doch seit die chinesische Regierung mit den jüngsten "Sicherheitsgesetzen" rigide Zensurbestimmungen in der ehemaligen britischen Kolonie erlassen hat, geben nicht nur Aktivisten und Journalisten alle Hoffnung auf - sondern auch Künstler, Kuratoren und Galeristen. Dabei hatte sich in den letzten Jahren eine kleine, aber engagierte Szene entwickelt zwischen Off-Spaces wie Para Site und einheimischen Galerien wie Blind Spot oder dem von Kunsttouristen geschätzten Cattle Depot Artist Village. Zudem haben westliche Großgalerien wie Londons White Cube oder Perrotin auf die Stadt gesetzt, in der die weltweit in Sachen Kunst führende Kunstmesse Art Basel einen Ableger gegründet und gepäppelt hat.

Ob die Zensur mitbestimmt, was auf den mehr als 17 000 Quadratmetern von M+ zu sehen ist, wenn das Museum Ende des Jahres offiziell eröffnet wird, das wird sich am klarsten daran ablesen lassen, ob dort Werke von Ai Weiwei zu sehen sein werden - oder nicht. 26 Arbeiten des chinesischen Künstlers und Aktivisten gehören zu der Sammlung von Uli Sigg, die Grundstock des Museums ist.

Ai Weiwei: "Die Chinesen werden langfristig bei ihrer harten Zensur bleiben"

In den vergangenen Wochen sah es so aus, als würden die Werke des von China als Dissident gehandelten Künstlers Opfer der Zensur. Auf Fragen waren von der Museumsleitung nur allgemeine Floskeln zu hören wie: "Wir werden uns an die geltenden rechtlichen Bestimmungen halten." Was im Klartext hieß, dass seine Werke nicht gezeigt werden würden. Anfang dieser Woche jedoch bekannte sich die Direktorin des neuen Museums, Suhanya Raffel, bei einem ersten Rundgang durch das Gebäude zur Freiheit der Kunst. Und ging laut Art Newspaper auch ausdrücklich auf Ai Weiweis Werke ein: "Es gibt kein Problem. Wir werden sie zeigen. Ai gehört zu unserer Kollektion."

Zensur in Hongkong: Der Künstler und Aktivist Ai Weiwei auf einer Konferenz in Berlin im Jahr 2020. Inzwischen lebt er nach seinem Umzug von Berlin nach England in Portugal.

Der Künstler und Aktivist Ai Weiwei auf einer Konferenz in Berlin im Jahr 2020. Inzwischen lebt er nach seinem Umzug von Berlin nach England in Portugal.

(Foto: Markus Schreiber/AP)

Viele in der Kunstwelt sind allerdings skeptischer. Sie trauen den Zusagen nicht und vermuten, dass die Behörden von Hongkong lediglich eine frühe Debatte um Zensur vermeiden wollen. Im Gespräch mit der SZ äußerte sich nun Ai Weiwei erstmals persönlich zu diesem Problem. Er sagte, er habe über Twitter erfahren, dass seine Werke nicht gezeigt werden sollen. "Es gab allerdings keine Bestätigung von irgendeiner offiziellen Seite. Aber das Museum hat keinen Spielraum. Es wird sich an die lokalen Gesetze halten müssen. Und die bedeuten Zensur. Ob M+ meine kleinen, dummen Arbeiten zeigt, wird zum Signal dafür werden, ob die Fenster zu sind."

Der Künstler und Aktivist, der inzwischen von England nach Portugal umgezogen ist, warnt die internationale Kunstszene davor, sich von dem Glanz des eleganten Baus täuschen zu lassen. "Die Chinesen werden langfristig bei ihrer harten Zensur bleiben", sagt Ai Weiwei. "Ich glaube, die westlichen Kulturträger haben allzu lange versucht, irgendetwas mit China zu tun zu haben. Die Tate Gallery oder das Centre Pompidou haben sogar ihre Sammlungen nach China ausgeliehen oder vermietet. Aber die Chinesen lachen sich doch einfach nur kaputt über den Westen, der seine Ideologien für ein paar Pennys herschenkt."

Was in Berlin, New York oder Paris aufgeregt diskutiert und abgewogen werde, spiele dann in China häufig ohnehin keine Rolle: Er erinnere sich, so erzählt Ai Weiwei, wie er nach seiner Haftentlassung im Jahr 2011 die so umstrittene Ausstellung zum Thema "Die Kunst der Aufklärung" besucht habe, die Berliner Museen nach Peking geschickt hatten. "Außer mir waren keine fünf Besucher in der Schau." Er halte den kulturellen Austausch mit dem kommunistischen China für gescheitert: "Sie glauben ohnehin, dass die westlichen Vorstellungen verseucht sind und Chinesen schaden. Auch die kleinsten Aktivitäten werden genau beobachtet. Es ist fast wie in einem Science-Fiction-Buch, in dem die Menschen kontrolliert werden, bis zu jedem einzelnen Hirn."

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