Kunst:Giampietrinos eierlegende Leda

Giampietrino, Kniende Leda mit ihren Kindern, 1520-1540 
Museumslandschaft Hessen Kassel 
Gemäldegalerie Alte Meister Foto Arno Hensmanns
(Foto: Museumslandschaft Hessen Kassel, A. Hensmanns)

Von Kia Vahland

Kassel besitzt kein LeonardoGemälde, überhaupt gibt es nur eine eigenhändige Malerei des Meisters in deutschen Museen, die "Madonna mit der Nelke" in der Münchner Alten Pinakothek. Doch ein Werk, an dem sich viel von Leonardos Gedankenwelt ablesen lässt, findet sich im Kasseler Schloss Wilhelmshöhe, dem Museum mit Blick auf die Herkules-Statue in üppiger Parkanlage. Es ist Giampietrinos "Kniende Leda mit ihren Kindern". Der Leonardo-Schüler greift eine Idee seines Lehrers auf und zeigt die mythologische Figur nach der Geburt ihrer Kinder, die sie mit Zeus, dem Schwan, gezeugt hat. Die Babys schlüpfen vor einer lieblichen Berglandschaft aus ihren Eierschalen, eines schmiegt sich schon an die mütterliche Brust. Der Maler feiert die Fruchtbarkeit der Frau, ihre Naturverbundenheit, ihren Mutterstolz. Es scheint, als gebiete die fast nackte Leda nicht nur über ihre Kinder, sondern auch über die Berge, die Stadt und die Burg im Hintergrund. Soviel feminine Freizügigkeit und Selbstgewissheit war in späteren Jahrhunderten schwer auszuhalten, jedenfalls wurde Leda zwischenzeitlich als Caritas übermalt und erschien damit als allgemeines, asexuelles Sinnbild mütterlicher Liebe. Sie verlor dabei ein Baby, die anderen Kinder ihre Eierschalen.

Wie das Gemälde trotz solcher Missverständnisse zu Ruhm kam, erzählt eine kleine Ausstellung im Schloss ("Der Leda Code", bis 2. Februar). Sie macht mehr Tamtam als nötig wäre bei einem so überzeugenden Thema. Den Hinweis etwa auf Leonardo da Vinci als "teuerstem" Künstler überhaupt hätte es so wenig gebraucht wie den nachgebauten Schwan am Eingang. Doch das Gemälde selbst erklärt sich in der Schau gut, auch deshalb, weil technische Aufnahmen zu sehen sind: Sie offenbaren, dass der Maler erst an eine "Anna selbdritt" dachte und Leonardos später berühmt gewordenes Louvre-Gemälde nachempfand, bevor er die Idee verwarf. Und in erster Fassung der Kasseler Leda war tatsächlich noch der Schwan im Spiel, erst später ließ Giampietrino ihn hinter Gebüsch verschwinden. Er hätte auch nur abgelenkt von der schönen, eierlegenden Frau.

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