Süddeutsche Zeitung

Kunst:Geht ein Mann ins Museum - und verschwindet

  • Bei einem Besuch des Museums Serralves in der portugiesischen Stadt Porto fiel ein Mann in eine Skulptur des Bildhauers Anish Kapoor.
  • Der Besucher hatte das Kunstwerk für einen aufgemalten, schwarzen Kreis auf dem Boden gehalten.
  • Der Bereich um die Skulptur wurde vorübergehend gesperrt, zur Wiedereröffnung sollen zusätzliche Warnschilder angebracht werden.

Von Benjamin Reibert

Dem britischen Bildhauer Anish Kapoor gefällt es, die Menschen zu verwirren. Eines seiner Werke heißt "Turning the World Upside Down", ein anderes "Sky Mirror". Ein drittes, und man kann dies wörtlich nehmen, heißt "Descent into Limbo", zu deutsch: "Abstieg in die Unterwelt". Ein Museumsbesucher in Portugal hat das Werk des Turner-Preisträgers nun auf tragische Art und Weise durchdrungen. Bei einem Besuch des Museums Serralves in der portugiesischen Stadt Porto fiel ein Italiener in die Installation - und damit in die besagte Unterwelt, immerhin zweieinhalb Meter tief. Der 60-Jährige hielt das Kunstwerk für einen aufgemalten, schwarzen Kreis auf dem Boden. Der Mann kam leicht verletzt ins Krankenhaus.

Für die Installation hatte Kapoor sich das alleinige Nutzungsrecht für das schwärzeste Farbpigment der Welt - "Vantablack" - gesichert; die Farbe reflektiert sehr wenig Licht und wirkt dadurch tiefschwarz. Das Werk ist Teil einer Auswahl von Kapoors Skulpturen und Installationen im Museum Serralves. Kapoor spielt oft mit optischen Täuschungen, die in seinen Arbeiten den Eindruck vermeintlich unendlicher Tiefe erwecken. So installierte er 2017 einen scheinbar bodenlosen Whirlpool im Brooklyn Bridge Park in New York.

In Porto kam zwar der Museumsbesucher zu Schaden, das Kunstwerk jedoch nicht. Das ist nicht immer so, andere Werke mussten schon einiges einstecken: So füllte vor zwei Jahren eine 91-jährige Besucherin des Nürnberger Neuen Museums ein Kreuzworträtsel aus. Das Problem: "Insert words!" ist gar kein gewöhnliches Kreuzworträtsel, sondern ein Kunstwerk von Arthur Köpcke. Ein nicht minder stümperhafter Fall ereignete sich 2011 im Museum Ostwall in Dortmund. Eine Putzfrau wischte einen Teil des Werks "Wenn es anfängt durch die Decke zu tropfen" von Martin Kippenberger einfach komplett weg. Und vor sieben Jahren veranlasste der Vorsitzende des muslimischen Kulturzentrums in Bristol, eine Fassade von einem Graffito zu befreien. Es war jedoch nicht irgendeine vandalistische Schmiererei, sondern das Werk des britischen Streetart-Künstlers Banksy.

Mittlerweile habe der Museumsbesucher das Krankenhaus wieder verlassen und befinde sich auf dem Weg der Besserung, bestätigte ein Museumssprecher dem Magazin Deezen. Und was sagt der Künstler selbst? "Was soll ich sagen? Es ist eine Schande", sagte Kapoor dem Guardian. Das Kunstwerk steht in einem kleinen Raum des portugiesischen Museums für zeitgenössische Kunst, den nur wenige Besucher auf einmal betreten dürfen. Vorab erhalten sie Sicherheitsinstruktionen. Um das Kunstwerk stehen zudem Warnschilder, und auch ein Angestellter sollte dafür sorgen, dass nichts passiert - alles vergeblich. Der Mann fiel trotzdem in die Unterwelt. Der Bereich wurde vorübergehend für Reparaturen gesperrt, so der Museumssprecher. Zur Wiedereröffnung sollen zusätzliche Warnschilder angebracht werden.

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SZ vom 23.08.2018/luch
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