Kunst:Gegen alle kuratorische Klugheit

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Das Münchner Haus der Kunst versucht, die Anmutung des Werks von Markus Lüpertz zu verjüngen. Dem Meister selbst ging es vor allem um einen eigenen Eingang.

Von Catrin Lorch

Dass einer wie Markus Lüpertz seine Ausstellung so leise beginnt, überrascht. Im ersten Saal, einem Seitenkabinett in der gewaltigen Architektur des Münchner Hauses der Kunst, hängen frühe Blätter und Bilder, die wie ein Vorspann zu seinem Werk wirken. Den 1941 in Böhmen geborenen Markus Lüpertz, der Anfang der Sechzigerjahre in Berlin lebt, muss man sich vor der Leinwand als zögerlich, fast verzagt vorstellen. Wann immer er kann, sitzt er deswegen vor einer anderen Leinwand - im Kino - und schaut sich durch die Programme, vom Western bis zum Autorenfilm. Irgendwann hakt was ein, und es werden diese gestauchten Figuren daraus, eine verquere Geometrie, die er wieder und wieder mit Buntstiften, Kreiden und dem Pinsel eingrenzt. Bald breiten sich die "Dithyramben" oder "Donald Ducks Heimkehr" (1963) in dunkel leuchtende Farbigkeit aus, kaum zu erkennen, dass es das Logo der "20th Century Fox" ist, das im Atelier wieder und wieder umgeschmolzen wird.

Die Kuratorin Pamela Kort hat also ganze Arbeit geleistet und das Werk des selbsternannten Malergenies mit der These vom "kinematografischen Blick" neu aufgeschlossen. Serialität, Variation, Rhythmus, das sind nun die Themen. Im gewaltigen Mittelsaal hängen Dachpfannen und Gleise wie die "Dithyramben", die kaum erkennbar sind: Aus dem ratternden Gleichklang grüner Kuben schält sich auf mehr als zwölf Meter Breite nur langsam das Bild von Eisenbahnschwellen.

Das ist schöne, herausragende Malerei, fast abstrakt, fast modern. Aber nur fast, schließlich ist der Begriff der Dithyrambe dem Altgriechischen entlehnt, und schon bald fährt der Künstler die Abstraktion runter und legt bei der Motivik nach. Aus dem jungen Berliner Maler wird Markus Lüpertz, Beruf Genie, der es in den Achtzigerjahren in der alten Bundesrepublik zu monumentaler Prominenz bringen wird. Damals stand deutsche Malerei international hoch im Kurs, und Lüpertz lieferte dem Kunstmarkt folkloristisch-deutsche Sujets: Stahlhelme, Kornähren, Eisenbahngleise, kahle Wälder. Die besten sind so unheimlich wie das von der Wiener Albertina ausgeliehene Diptychon, auf dem Soldatenmantel und Stahlhelm in verschatteten Grüntönen zu einem Schemen zusammengesteckt sind, an dem der Pinsel fast verzagt: der Fond roh und unfertig, viele Partien sind nur eben kreidig angedeutet. Die "Seelower Höhen" dagegen spielen das Motiv routiniert durch in virtuosem, aber gleichgültigem Malduktus.

In der Schau sind es solche Bilder, gegen die alle kuratorische Klugheit nicht ankommt. Hinter den Logos und Schwellen tauchen doch wieder die Nymphen auf - und die hoch aufgesockelten Skulpturen, die der Künstler, wie zu hören ist, lieber im Marmor-Entree des NS-Baus platziert hätte. Als ihm das verwehrt wurde, weil dort bald der junge Amerikaner Theaster Gates eine Installation aufbauen wird, beschloss er trotzig, einen eigenen Eingang bauen zu lassen, weswegen seine Besucher durch eine eigens geöffnete Flügeltür eintreten. Unbehelligt von der Avantgarde.

Die Lüpertz-Schau steht nun räumlich genauso quer im Haus der Kunst wie im Programm. Das prägte in den vergangenen Jahren unter dem international gefeierten Direktor Okwui Enwezor nicht nur die aktuellsten Strömungen der Kunst, sondern auch den postkolonialen Diskurs. Dass diese Schau nach Enwezors Abgang vom Geschäftsführer auf die Agenda gesetzt wurde, während man Ausstellungen von Joan Jonas und Adrian Piper strich, empfanden nicht wenige als Provokation. Zumal es nach der Jörg-Immendorff-Retrospektive im vergangenen Jahr das zweite Großprojekt ist, das in Zusammenarbeit mit der Galerie Michael Werner gestemmt wird. Das offensichtliche Bemühen um Verjüngung dieses Malers prallt ab an einem Werk, das auf seine Nymphen und Stahlhelme besteht und sich den Auftritt brachial freizuräumen weiß.

Markus Lüpertz: Über die Kunst zum Bild. Haus der Kunst, München. Bis 26. Januar 2020. Der Katalog kostet 49,90 Euro.

© SZ vom 12.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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