Kunst:Später Ruhm

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Das Münchner Lenbachhaus hat Gabriele Münter viel zu verdanken - im Bild eine Werbetafel mit ihrem Gemälde der Marianne von Werefkin im Jahr 2017. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Lange war Gabriele Münter vielen vor allem als Retterin der Werke Wassily Kandinskys bekannt. Nun erfährt ihre Kunst auch international immer mehr Anerkennung.

Von Kia Vahland

Große Kunst bringt Ruhm und Geld mit sich? Ja, schon. Manchmal. Oft aber erfahren die Betroffenen das nicht mehr, weil sie längst tot sind, wenn alle sich um ihre Werke reißen und die Preise in die Höhe gehen. Wann jemand posthum gefeiert wird, liegt dabei nicht nur an der Qualität der Arbeiten, sondern auch an der Aufgeschlossenheit oder eben Begriffsstutzigkeit der Nachgeborenen. Im Nachleben geht es auch nicht gerechter zu als im Leben.

Ganz sicher gilt das für eine Gruppe: malende Avantgardistinnen. Ihr Erfolg verlief in vielen Fällen in einer U-Kurve. Sie begannen mit aufsehenerregenden Werken in einem dynamischen Umfeld, verarmten dann als ältere Künstlerinnen und verschwanden schließlich in den Fußnoten der Kunstgeschichte – um erst rund ein Jahrhundert nach ihren ersten Ausstellungen im großen Stil anerkannt zu werden, also: jetzt.

„Gottes Funke steckt in Dir“, jubelte Kandinsky

Zurzeit erfährt die Expressionistin Gabriele Münter nachträgliche Bewunderung. Rund 70 000 Menschen sahen bereits den von Alice Brauner produzierten Film „Münter und Kandinsky“ (Regie: Marcus O. Rosenmüller), der seit gut zwei Wochen in den Kinos läuft. Der Film erzählt aus Münters Perspektive die ambivalente Liebesgeschichte zwischen der Farbvirtuosin und ihrem Lehrer und Kollegen, dem Russen Wassily Kandinsky. Wobei diese Liebe offenbar an Kandinskys Bindungsproblemen scheiterte und nicht an künstlerischer Konkurrenz: Die beiden hatten gemeinsam mit Franz Marc und anderen in Murnau und München die Künstlervereinigung Blauer Reiter gegründet und zusammen ausgestellt. „Gottes Funke steckt in Dir, was so unglaublich selten bei den Malern zu finden ist“, bejubelte Kandinsky das Talent seiner Freundin einmal.

Nach der Trennung bewahrte sie zahlreiche seiner Werke und versteckte diese während des Nationalsozialismus im Keller ihres Murnauer Hauses. Zu ihrem 80. Geburtstag im Jahr 1957 schenkte Münter einen guten Teil ihrer Sammlung zum Blauen Reiter dem Münchner Lenbachhaus, das damit weltberühmt wurde. Ihrem eigenen Ruhm allerdings half dies im 20. Jahrhundert nur bedingt. Zwar besitzt das Museum seither auch Gemälde von ihr, und eine Stiftung verwaltet ihren Nachlass, doch blieb die 1962 Gestorbene überregional lange so vor allem in Erinnerung als Geliebte eines Genies und Retterin seiner Kunst.

Vanessa Loibl und Vladimir Burlakov im Kinofilm „Münter & Kandinsky“. (Foto: Stephanie Kulbach)

Münchner und Murnauer Museumsbesucher wissen schon lange, dass Gabriele Münter weit mehr war: treibende Kraft der expressionistischen Bewegung, feinfühlige Porträtistin und leidenschaftliche Landschaftsmalerin, die in ihren Farbfeuern mit kühnem Pinselstrich Tradition und Moderne ganz selbstverständlich verband. In den vergangenen Jahren waren Münters Werke endlich auch in großen Schauen im Ausland zu sehen, in Bern, Kopenhagen und Wien. Kommenden Dienstag eröffnet eine Retrospektive in Madrid, als Nächstes schließt sich Paris an. Hierzulande laufen gerade zwei Ausstellungen in Herford. Auch der Markt zieht mit, einzelne Münter-Werke werden inzwischen sechs- bis siebenstellig gehandelt. Eigentlich müsste sich der Kunstbetrieb bei Gabriele Münter entschuldigen, dass alles so lange gedauert hat.

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