Kunst:Farben und Geschichten

Stefanie Unruh und Dieter Villinger erhalten den Seerosenpreis 2015

Von Evelyn Vogel

Unterschiedlicher könnten die beiden diesjährigen Träger des Seerosenpreises wohl kaum sein. Hier der Maler Dieter Villinger, der sich seit gut vier Jahrzehnten mit nur einer Sache beschäftigt: der Wirkung von Farbe. Dort die Multimediakünstlerin Stefanie Unruh, die von der Zeichnung her kommt und sich künstlerisch in den vergangenen knapp drei Jahrzehnten vielfach gewandelt hat: Da gibt es Zeichnungen, Gouachen und streng konzeptuelle Systeme, auch Skulptur, Fotografie, Installation und seit etwa 2002 Videoarbeiten. Beide bestreiten nun eine gemeinsame Ausstellung anlässlich der Seerosenpreisverleihung im Kunstpavillon im Alten Botanischen Garten.

Villinger, geboren 1947 im südlichen Rheinland-Pfalz, studierte zunächst Grafik in Basel und Darmstadt, dann Malerei an der Akademie in München, wo er Meisterschüler bei Günter Fruhtrunk war. Ende der Siebziger ging er über ein DAAD-Stipendium für ein Jahr nach New York, auch in Paris und Italien hatte er Studienaufenthalte. Doch seit Anfang der Siebzigerjahre ist München seine Heimatstadt. Villinger war einer der ersten, die im Dezember 1992 ins städtische Atelierhaus an der Dachauer einzogen. Noch immer arbeitet er hier. Im Lager lehnt Bild an Bild, zumeist nach Formaten sortiert, wobei die Großformate - mitunter mehr als drei mal drei Meter - dominieren. Villinger arbeitet in Acryl, verwendet intensive Rottöne in vielen Schattierungen sowie Blau, Grün, Gelb. Auch schwarze und ziemlich viele weiße Arbeiten sind darunter, ebenso kleine Formate. "Mehr als 50 weiße Bilder in den vergangenen Jahrzehnten. Das hätte ich nicht gedacht", sagt er.

Kunst: Träumend der Welt entfliehen: Aus der Videoarbeit "Underground Dreams" von Stefanie Unruh.

Träumend der Welt entfliehen: Aus der Videoarbeit "Underground Dreams" von Stefanie Unruh.

(Foto: oh)

Sein Atelier wirkt ebenfalls aufgeräumt, an einer Seite hängt eines der monochromen Großformate an der Wand, die so typisch sind für ihn. Schicht für Schicht trägt er die Farbe auf, hinterlässt in den pastosen Farbschichten Pinselstrukturen, zieht die Farbe mitunter über die Bildfläche um die Kante des Keilrahmens hinaus. Durch verschieden dicke Farbschichten einerseits, weißen oder farbigen Untergrund andererseits verleiht er der monochrome Fläche Lebendigkeit. Kurze Zeit hat er mit analoger Fotografie experimentiert. Aber für Villinger ist die Wirkung von Farbe wesentlich und Malen "ein physisches Erlebnis".

Wie ganz anders dagegen Stefanie Unruh. "Meine Arbeit befindet sich in Schachteln", sagt sie und holt in ihrem Atelier in der Platform an der Kistlerhofstraße sorgfältig geordnete Blätter aus Pappschachteln hervor. Auch in ihren aktuellen Arbeiten spielt die Zeichnung eine große Rolle. Sie zeichnet florale Tapetenmuster, in die sie die Konterfeis islamistischer Terroristen einbettet. Am Computer verarbeitet sie gezeichnete Bildstrecken mit ganz anderen Themen zu drei- bis fünfminütigen Videos, vermischt gezeichnetes Material mit filmischem, animiert, überblendet, übermalt und unterlegt das Ganze mit Sounds, die nicht weniger wichtig sind als die Bilder. Wie in Traumsequenzen durchlaufen ihre Figuren eine Welt, die sich aus der realen Umgebung der Künstlerin speist, aber von surrealen Momenten dominiert wird. Es sind schwarz-weiße, mitunter leicht sepiatonig gezeichnete Bildgeschichten.

Die fotografischen Arbeiten sind oft gekennzeichnet von schemenhaften Gestalten. Wo hingegen die frühen konzeptuellen Werke auf strengen Codes und Systemen wie Texten von Wittgenstein beruhten, die sie mit einer großen haptischen Sinnlichkeit umsetzte. Andere, wie die "Kulturbeutel", stecken voller Ironie. Nach einem New Yorker Studienjahr über den DAAD Anfang der Neunziger hat sie sich aber auch drei Jahre lang intensiv und konzeptuell mit Gedenkstätten beschäftigt. Unruh, die aus Hamburg stammt, hat in den Achtzigerjahren in München studiert und lebt seither hier.

Der Seerosenpreis an Künstler aus dem Bereich Bildende Kunst, die in München leben und arbeiten, wird von einer Jury vergeben, die aus Mitgliedern verschiedener Münchner Künstlergruppen besteht. Initiiert wurde er 1962 unter anderem vom damaligen Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel und dem Maler Hermann Geiseler. Das Preisgeld in Höhe von jeweils 2000 Euro wird von der Landeshauptstadt München gestiftet. Verbunden ist die Preisvergabe mit einer Ausstellung, die in den kommenden zwei Wochen im Kunstpavillon zu sehen ist.

Verleihung des Seerosenpreises 2015 an Stefanie Unruh und Dieter Villinger: Donnerstag, 13. August, 19 Uhr, Kunstpavillon, Alter Botanischer Garten, Sophienstr. 7a; Ausstellung bis 30. August, Di-Sa 13-19 Uhr, So 11-17 Uhr

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