Süddeutsche Zeitung

Kunst der Gegenwart:Vorhang auf

Das Haus der Kunst zeigt die Installation "Plot" der Kanadierin Kapwani Kiwanga, den Auftakt eines Dreiteilers.

Von Catrin Lorch

Die Silhouetten wirken gedämpft, ihre Ränder sind weich, ihre Bewegungen fließend. Die grauen Schatten verbinden sich mit den pudrigen Farben, dem Aprikosenrosa und Türkisblau der Stoffe, die wie ein Vorhang den Saal verhüllen. Gut vorstellbar, dass sie sich durch einen geheimen Mechanismus heben könnten, dass dann ein Videoprojektor sichtbar wird oder eine Aufführung beginnt in der monumentalen Halle. Doch im Näherkommen merkt man: Es sind andere Besucher, die man durch die zarten Stoffbahnen sieht. Und womöglich beobachten die einen umgekehrt gerade selbst.

So verwunschen, so geheimnisvoll hat das Haus der Kunst wohl noch nie ausgesehen, diese monströse Architektur aus Marmorfliesen, steinvertäfelten Pilastern und wuchtigen Symmetrien am Englischen Garten. Kapwani Kiwanga ist die inzwischen siebte Künstlerin, die von den Freunden am Haus der Kunst eingeladen war, die Reihe "Der Öffentlichkeit" fortzusetzen. Sie folgt Stars wie Haegue Yang oder Theaster Gates und Manfred Pernice nach. Doch hat die 1978 in Kanada geborene Künstlerin, die seit einigen Jahren in Paris lebt, den Saal jetzt mehr verhüllt, denn mit Kunst gefüllt. Wer sich zwischen den Stoffbahnen hindurchschlängelt hat fast das Gefühl, sich zwischen den Falten eines Vorhangs zu bewegen. Sie teilen allerdings kleine Nischen ab, in denen futuristische Skulpturen aus durchsichtigem Plastik stehen, prall aufgeblasen wie Autoreifen.

"Plot", der Titel der Installation, kann sich in deutscher Übersetzung sowohl auf eine Parzelle Land, einen Ort oder auch den Inhalt eines Film, einer Story, eines Theaterstücks beziehen. Das passt schon deswegen, weil Kapwani Kiwanga ihre Ausstellung in drei Akte unterteilt hat: der zweite Akt wird Anfang Dezember mit einer Prozession aufgeführt, nach der beleuchtete Skulpturen in den Kolonnaden verbleiben. Akt III ist ein Vortrag der Künstlerin, der im nächsten Frühjahr stattfinden soll. Die so schlichte und einfache Installation ist insofern nur das Vorspiel einer Schau, die sich noch ausdehnen soll in das Herbstlicht des Parks hinein, den Terminkalender des Kunstpublikums, hin zu Flaneuren und Spaziergängern, die, umgekehrt, als "die Öffentlichkeit" auch in das Ausstellungshaus hineingesaugt werden, das sich jetzt als Durchgang zwischen der Innenstadt und dem Englischen Gartens anbietet.

Kapwani Kiwangas Einzelschau ist aber auch eines der ersten Projekte, die Andrea Lissoni, der neue künstlerische Direktor des Haus der Kunst eröffnet. Und so hat diese Öffnung auch etwas von einem Vorspiel, einer Ouvertüre, in der Motive und Dimensionen schon einmal anklingen.

Kapwani Kiwanga. Plot. Haus der Kunst, München. Bis 25. April. Für den 5. Dezember ist der Umzug "Prozession" geplant.

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Quelle:
SZ vom 10.10.2020
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