Kunst:Das Gesicht ist nur ein Schauplatz

Was wäre noch alles passiert, wäre diese Künstlerin alt geworden? Eine Hamburger Ausstellung zeigt die radikale Modernität der Malerei von Paula Modersohn-Becker.

Von Gottfried Knapp

Wenn man sich in der chronologisch geordneten Ausstellung über das Werk von Paula Modersohn-Becker im Bucerius Kunstforum in Hamburg auf die Bilder und Zeichnungen ihrer letzten Wochen und Monate zubewegt, kann einen angesichts der schroffen künstlerischen Entwicklung, die man verfolgt hat, plötzlich die Angst überkommen vor dem, was nach diesen rabiaten Schritten in Richtung Abstraktion hätte kommen können, wenn die Künstlerin nicht im Alter von 31 Jahren gestorben wäre. Macht man sich aber klar, wie früh, also in welchen Jahren Modersohn-Becker zu diesen radikal vereinfachten Formulierungen gefunden hat, dann fällt einem fast zwangsläufig die zeitlich genau parallel verlaufende Entwicklung bei einem anderen großen Künstler der Moderne, bei Pablo Picasso, ein. Picasso hat genau in den Jahren zwischen 1900 und 1907, in denen die fünf Jahre ältere deutsche Kollegin immer entschiedener nach Ausdrucksformen jenseits der naturalistischen Konventionen gesucht hat, in gut nachvollziehbaren Schüben die radikalen Entwicklungsschritte hin zu den Abstrahierungen der "Demoiselles d'Avignon" getan und damit den Weg frei geschlagen für den Kubismus, also für eine revolutionär neue Art des Betrachtens und Behandelns von Gegenständen.

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