Süddeutsche Zeitung

Kunst:"Bavid Dowie" in Stade

Daniel Richter, Jonathan Meese und Tal R haben eine "Pizza documenta" gebacken. Sie wären gerne mal in Kassel dabei, wie eine kindsköpfige Ausstellung in Stade zeigt.

Von Till Briegleb

Die Jungs wären so wahnsinnig gerne auch mal auf die Documenta eingeladen. Aber professionelle Kindsköpfe gehören schon lange nicht mehr ins Beuteschema der Kunsterzieher von Kassel. Schon gar nicht, wenn sie Politik nicht ohne Ironie formulieren können und damit reich und berühmt wurden. Also haben Daniel Richter, Jonathan Meese und Tal R sich selbst eine "Pizza documenta" gebacken, belegt mit strangulierten Mumin-Figuren und Dalis Monsterpenis, gehässigen Riesenwürstchen und umarmungswilligen Hummern mit Namen "Nachwelt?". Lauter beschmiertes und beschriftetes Zeugs also, das dem Besucher im schiefen Kunsthaus des Fachwerk-Freilichtmuseums Stade erklärt, warum dieses Gemeinschaftswerk "The real documenta" ist.

Zwar heißt die Ausstellung (bis 23. September) auf den drei Stockwerken am Stader Hansehafen, in dem auch ein Kunstpiratenschiff mit Kapitän Mumin vor Anker liegt, eigentlich "Bavid Dowie". Aber die Sammlung aus eilig gemeinsam produzierten Blättern mit plakativen Botschaften aus dem Mund berühmter Personen der Kunstgeschichte von Picasso bis Pimmelmann dreht sich in Wahrheit nur um die eine große Ungerechtigkeit: nie mitmachen zu dürfen bei der wichtigsten Kunstschau der Welt. Deswegen malten die drei Freunde sich hinein in eine große Genie-Gemeinschaft mit anderen Verstoßenen. Schließlich war Picasso auch schon seit 1964 auf keiner Documenta mehr.

Das fröhliche Ausflugsziel, eine S-Bahn-Stunde entfernt von Hamburg, zeigt aber nicht nur erschütternde Plakate zum Thema "Traurig, aber wahr!", sondern auch ein paar mitgebrachte Atelierarbeiten jüngsten Datums zu Politischem wie "Zu Hause Revolution", "Die Fertiggemachten" oder "Peepshow", um dem Aufnahmeantrag "Documenta possible!" doch noch zum Erfolg zu verhelfen.

Wie bereits die erste Kollaboration von Meese und Richter 2006 in Stade, "Die Peitsche der Erinnerung", die sich in eine Wanderausstellung verwandelte, geht auch "Bavid Dowie" auf Tour, diesmal auf "baltische Welttournee" nach Holsterbro in Dänemark und Espoo in Finnland. Da ist nur zu hoffen, dass das nächste Documenta-Thema "Die Kunstprovinz" heißt.

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Quelle:
SZ vom 28.07.2018
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