Kunst:Aus dem Geiste der Nation

Eine Schau in Mailand versucht, die italienische Romantik zu erfinden. Geht es dabei eigentlich um sehr gegenwärtige Ideen nationaler Selbstbehauptung?

Von Thomas Steinfeld

Vor einigen Jahren veröffentlichte der Stuttgarter Germanist Heinz Schlaffer in dieser Zeitung die Besprechung der Neuübersetzung eines weltberühmten Romans: Stendhals "Kartause von Parma" (1839). Die Übersetzung von Elisabeth Edl gefiel ihm gut, der Kommentar auch. Nur der Roman, immerhin eines der zentralen Werke der Weltliteratur, wollte dem Rezensenten nicht einleuchten: Er stieß sich am allzu bunten Lebenslauf des Helden, der sich in schnellem Lauf von einem aristokratischen Anhänger Napoleons zu einem Gefängnisinsassen, von einem Mörder in einen Erzbischof verwandelt und nebenher die schönsten Frauen aller Gesellschaftsschichten liebt. Anstatt die Psychologie seiner Figuren herauszuarbeiten, meinte Heinz Schlaffer, habe der Schriftsteller ihnen Etiketten aufgeklebt: "Stendhals Roman spielt nicht im Parma der Restauration, er spielt im unbegrenzten Reich des historischen Gerüchts und der abenteuerlichen Fantasie."

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