Alben der Woche:"Ich mach den Rap wieder weich"

Felix Kummer fehlt etwas die fröhliche Räudigkeit von "Kraftklub", Kim Gordon die Genialität ihrer Band "Sonic Youth". Und "Babymetal" klingen, als seien Mangafiguren in einen Schweinetrog gefallen.

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808 State - Transmission Suite (808 State)

808 state Transmission Suite

Quelle: 808 State

Techno kommt langsam ins Greisenalter, aber wenn das Duo 808 State aus Manchester nach 17 Jahren ein neues Album ankündigt, ist das ein Grund zur Freude. "Transmission Suite" (808 State) heißt das Werk. Und Graham Massey und sein Kollege Andrew Barker ruhen sich hörbar nicht auf alten Lorbeeren aus. Von ihnen stammt ja der bis heute himmlische Track "Pacific State", der Ende der Achtziger legale und illegale Raves auf Ibiza und englischen Äckern beschallte. Genau so einen Hit würde man heute auch gerne wieder hören. Aber "The Ludwig Question" klingt eher, als hätten 808 State sich sehr von Footwork-Tracks aus Chicago beeinflussen lassen, so sehr rasen die hochvertrackten Beats aus der Drummachine. "Cannonball Waltz" fußt auf einem eisigen Shuffle-Beat, darunter sägt eine fiese Acid-Basslinie und ein Mann wiederholt mantrahaft: "I was wrong, I am sorry". Der offensichtlichste Party-Hit ist der schiebende Tribal-House-Track "Ujala", in dem eine Frau immer wieder sagt: "Fantastic!" Simpel, aber effektiv.

Jan Kedves

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Babymetal - Metal Galaxy (Earmusic)

Babymetal

Quelle: earMusic

Wenn eine Band das Wort Metal schon im Namen trägt, muss sie es vielleicht nicht unbedingt noch in ihren Albumtitel packen? Denkt man sich so. Auf "Metal Galaxy" (Edel), dem neuen Album von Babymetal aus Japan, heißt dann aber sogar der erste Track "Future Metal". Also gleich dreimal Metal, falls es irgendwer immer noch nicht kapiert hat. Das Besondere an dem Projekt, das aus den beiden Sängerinnen Su-Metal und Moametal sowie aus dem Produzenten Kobametal besteht, ist, dass die bürgerlichen Namen rein gar nichts zur Sache tun, und dass Babymetal nicht einfach Metal nachspielen, sondern ihn mit J-Pop kombinieren, auf dass eine höchst seltsame, krass überzuckerte Mischung aus Kawaii-Possierlichkeit und Donnerwetter-Getöse entstehe. Der Song "Elevator Girl" klingt, als seien Pizzicato 5 in einen Schweinetrog gefallen und würden nun gerne grunzen. In "Brand New Day" wird Metal mit swingendem Synth-R&B à la Janet Jackson vereint, was komischerweise ganz gut passt. Und in "Shanti Shanti Shanti" lassen Babymetal sämtliche Skrupel der kulturellen Aneignung, die sie womöglich ohnehin nie hatten, fahren: Der Song klingt, als sei er in Indien bei einem Guru aufgenommen und laufe nun zur Entspannung in der Metal-Yogastunde in Berlin-Friedrichshain (gibt's wirklich). Alles nur ein Witz? Mag sein. Aber die Konzerte in Hamburg, Köln und Berlin sind längst schon wieder ausverkauft.

Jan Kedves

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Kummer - "Kiox" (Kummer & Eklat Tonträger)

Kummer - "Kiox" (Kummer & Eklat Tonträger)

Quelle: Kummer & Eklat Tonträger

Eigentlich ein schönes Anliegen: "Ich mach Rap wieder weich - ich mach Rap wieder traurig." Eigentlich vom richtigen Künstler: Der Kraftklub-Frontmann Felix Brummer konnte das mit seiner Hauptband schließlich schon sehr gut - getrennte Welten vereinen. Musik für Bachelor-Studenten, aber mit ein paar Ölflecken am Revers. Schon schlau, aber doch verballert genug, dass es sich nicht zu sehr ausstellte. Jetzt veröffentlicht er das Soloalbum "Kiox" (Kummer & Eklat Tonträger), unter seinem echten Namen, und als Kummer will er im Sound eher düsteren Rap machen, aber mit zarter, heller Seele. Starkes Konzept. Aber leider nimmt er sich dabei sehr ernst. Die fröhliche Räudigkeit der Hauptband fehlt etwas, nicht sehr, aber genug, damit die kriegsentscheidende Linie zwischen engagiert und wohlfeil, zwischen aufmüpfig und bemüht verwischt. Auf wunderbar ranzige Zeile wie "In einer Welt, in der du alles hättest werden können / Hast du dich dafür entschieden ein verkacktes Arschloch zu sein", folgt also leider zu oft etwas wie: "Diese Welt ist eingeteilt in Gewinner und Verlierer / Zwischen Deichmann, Victory und Thrasher, Louis, Fendi, Fila."

Jakob Biazza

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Kim Gordon "No Home Record" (Matador/Beggars Group)

Kim Gordon - 'No Home Record'

Quelle: dpa

Ein Bläsersatz, melancholisch wie Nordseenebel, eröffnet das Album von Kim Gordon. Dann grätschen wuchtige, verzerrte Bassschläge dazwischen. Gordon faucht, halb wütend, halb zärtlich traurig. Ein Break mit meditativer Akustikgitarre, als würde die Sonne durch die Wolken brechen - und wieder Noise. In destillierter Form ist damit in "Sketch Artist", dem Opener von "No Home Record" (Matador/Beggars Group) alles enthalten, was die ehemalige Sonic-Youth-Bassistin als Songwriterin auszeichnet: die Fähigkeit zum Lärm, der die Sinnesorgane von der Schlacke des Alltags befreit, aber auch zur rauen Sanftmut und unsentimentalen Romantik. Außerdem nimmt Gordon ihre künstlerische Freiheit ernst genug, um gar nicht erst zu versuchen, ein Meisterwerk in der Liga ihrer ehemaligen Band zu erschaffen. Lieber unterläuft sie die Erwartungen mit feiner Ironie.

Juliane Liebert

© SZ.de/qli
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