Kulturreport:Als Sieger kehre heim

Jedem seine Chance: Mit dem Sprungbrett im Feierwerk startet die diesjährige Band-Contest-Saison

Von Dirk Wagner

Es war 1963, da saß George Harrison zusammen mit genau dem Mitarbeiter der Plattenfirma Decca in der Jury eines Talentwettbewerbs, der kurz zuvor noch die ihm angebotenen Beatles abgelehnt hatte. Seiner Fachkenntnis nach hatten Gitarrenbands keine Zukunft mehr. Dick Rowe hieß der Experte, der nun im Talentcontest umso genauer hinschaute, ob nicht was Adäquates zu den Beatles dabei wäre, die mittlerweile bei der Konkurrenz ihre Erfolge feierten. Damals soll Harrison ihm die abwesenden Rolling Stones empfohlen haben, die Rowe dann prompt engagierte. Bezeichnenderweise ist dies das Einzige, was von jenem pophistorisch doch so relevanten Contest überliefert ist. Trotzdem glauben auch gut fünfzig Jahre später immer noch Menschen an die karrierefördernde Wirkung von Band-Wettbewerben - und an die Kompetenz einer Fachjury.

Tatsächlich ist die Förderung, die eine Band durch ihre Teilnahme an einem Contest erfährt, auch nicht eindeutig zu belegen. Schließlich lernen ja nicht nur die Sieger jener Wettbewerbe in den Juroren Unterstützer kennen, die schon beruflich im Musikgeschäft eingebunden sind. Als Mitarbeiter oder Betreiber eines Plattenlabels, als Konzertveranstalter oder als Musikjournalist suchen sie wie einst Rowe die nächsten Beatles auf den Talentshows. Weil das Gesamturteil aber nicht zwangsläufig alle Wertschätzungen der einzelnen Juroren wiedergibt, könnte hier nun eine lange Liste von Verlierern folgen, die sich posthum trotzdem mithilfe ihrer auf den Wettbewerben geknüpften Netzwerke als Musiker behaupten konnten.

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Die Teilnehmer von "Running For The Best" des Kreisjugendrings München-Land kennen sich mittlerweile bestens.

(Foto: Christian Schuehle)

"Netzwerke sind wichtig", bestätigt also Marco von Vertigo, einer Münchner Alternative-Rockband, die wettbewerb-erfahren an diesem Donnerstag zum zweiten Mal im Bandcontest des Feierwerks antritt, im sogenannten "Sprungbrett", der von Mittwoch bis einschließlich Samstag jeweils vier von insgesamt 16 teilnehmenden Bands gegeneinander antreten lässt. "Je stärker der Wettbewerbscharakter im Vordergrund steht, desto weniger Kontakte kommen mit anderen Musikern zustande, haben wir erfahren. Beim Sprungbrett gab es dagegen schon vor dem ersten Auftritt ein Treffen mit allen Teilnehmern zum gegenseitigen Kennenlernen. Mit zwei Bands, gegen die wir in der ersten Runde antreten, sind wir eh schon befreundet", sagt Marco, der sich darum mehr auf einen schönen Konzertabend mit vier tollen Bands freut, als dass er nur gewinnen möchte. "Natürlich ist Gewinnen cool. Aber darum allein geht's nicht. Gewonnen hast du ja schon, wenn du in einer gut besuchten Hansa 39 auf der Bühne stehst. Und gut besucht sind die Wettbewerbe meistens, weil allein schon die Freunde von vier Bands kommen", sagt Marco, der am Sprungbrett vor allem die begleitenden Workshops schätzt. Hier lernen die Teilnehmer, worauf sie beim Soundcheck selber achten sollten, hier trainieren sie die eigene Außenwirkung auf der Bühne, und hier erfahren sie von Profis Tipps für ihre Vermarktungsstrategien.

Über solche Bereicherungen des Wettbewerbs denkt derzeit auch der Kreisjugendring München-Land nach. Gerade erst hat auf dessen Wettbewerb "Running For The Best" das Sextett My Little Mayhem aus Markt Schwaben einen Auftritt am 1. Mai auf dem Marienplatz gewonnen. Dieses Jahr wird es indes keinen "Running For The Best" geben, weil der Arbeitskreis Jugendkultur des KJR-München-Land das Konzept des Wettbewerbs nach gut zwanzig Jahren überarbeiten möchte. "Wir stehen, was das neue Konzept angeht, noch ganz am Anfang", erklärt Carina Lange die Notwendigkeit der einjährigen Pause.

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"My Little Mayhem" aus Markt Schwaben hat einen Auftritt auf dem Marienplatz gewonnen.

(Foto: Christian Schuehle)

Den Zuschauern, die zu solchen Ausscheidungskämpfen gehen, wird solche Vakanz kaum auffallen, da immer mehr Wettbewerbe und ähnliche Nachwuchsförderprogramme in München und Umgebung gedeihen. Von "Stadt-Land-Rock" auf dem Tollwood über "Munich Rocks" im Ampere bis hin zu "Rockavaria", die heuer wieder Newcomer sucht, die auf dem großen Rockfestival im Sommer in der Olympiahalle auftreten dürfen. Per Online-Voting über die Rockavaria-Internetseite werden derzeit aus vierzig Formationen zehn ausgesucht, die am 16. April im Backstagewerk gegeneinander antreten. Zwei Bands werden dann von einer Jury in die Olympiahalle geschickt. Eine dritte Band, die letztes Jahr das Hard Rock Café über dessen Wettbewerb "Hardrock Rising" aussuchte, wird es heuer leider nicht geben, weil das entsprechende regionale Finale im Münchner Hard Rock Café am 1. Juni und damit erst nach der Rockavaria stattfindet. "Weil ,Hardrock Rising' ein internationaler Wettbewerb ist, ist das Datum für alle mitwirkenden Standorte verbindlich", bedauert Annekatrin Nickel vom Hard Rock Café München. Trotzdem sichert auch hier ein Kontakt zur Fachjury und zum Haus selbst den Teilnehmern sogar ohne die anschließende Teilnahme des Siegers im internationalen Wettstreit einen Karriereschub. Interessierte können sich vom 15. Februar bis 11. März in den lokalen Cafés bewerben.

Unbedingt aus München muss man sein, wenn man als Einzelinterpret oder Band beim zweiten Giesinger Bandcontest am Freitag, den 29. April im Kulturzentrum Giesinger Bahnhof mitwirken mag. Bis zum 1. April kann man sich mit mindestens drei Musikstücken plus aussagekräftigem Profil und Foto bei niko@bangbangconcerts.de bewerben. Dass der erste Giesinger Wettstreit von der musikalisch doch sehr fordernden Rockband Phi (damals Ph! Production) gewonnen wurde, widerlegt übrigens die Notwendigkeit, sich einem anspruchslosen Massengeschmack anzupassen, wie es das Rundfunkprogramm hierzulande nur allzu oft behauptet. Der Schriftsteller Alfred Andersch kommentierte das schon 1970: "Ich habe keine so niedrige Meinung vom Publikum, wie das oftmals scheinbar - ich sage scheinbar - bei den für die Programmeinteilung Verantwortlichen in den deutschen Rundfunkhäusern der Fall ist."

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Die Münchner Band "Vertigo" ist zum zweiten Mal beim "Sprungbrett" dabei.

(Foto: Christian Schuehle)

Umso erfreulicher ist es auch, wenn auf dem am Mittwoch, den 10. Februar stattfindenden regionalen Finale des bundesweit agierenden "Schooljam"-Bandfestivals um 17.30 Uhr im Ampere Schülerbands aus dem Rahmen kippen. "Es ist erschreckend, wie gut dreizehnjährige Musiker schon sein können", schwärmt der Journalist Gunther Matejka vom bundesweiten Finale, das auch heuer wieder in der Frankfurter Festhalle stattfindet. Eine der zwei Siegerbands des Münchner Finales könnte dann dabei sein.

Sprungbrettfestival 2016, 10. bis 14. Febr., Hansa 39, Orangehouse

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