Kulturreferat:Die Zauber binden

Eva Schuster 2011

Gab der Literatur im Kulturreferat ein Gesicht: Eva Schuster.

(Foto: Volker Derlath)

Eva Schuster und die Literatur - eine Hommage

Von Tilman Spengler

Wer immer in der Stadt München viel mit Literatur zu tun hat, kennt ihren Namen. Seit 1994 arbeitet Eva Schuster im Kulturreferat, ihr Zuständigkeitsbereich umfasste zuletzt Literatur, Preise und Stipendien. Fast ein Vierteljahrhundert lang hat sie mit viel Engagement unzählige Fäden gezogen - hat Geld für Projekte genehmigt, Mitglieder für diverse Jurys rekrutiert und Sitzungen geleitet, Frühjahrsbuchwochen und Literaturfeste mitgeplant, Ideen für Buchhandelsaktionen wie Bookuck mitentwickelt - nur zum Beispiel. Vor allem aber hatte sie als vormalige Lektorin immer ein Herz für die Schriftsteller dieser Stadt und förderte deren Austausch untereinander auch mit Autorentreffen. An diesem Dienstag werden die Münchner Schriftsteller die 65-Jährige bei einem Treffen im Literaturhaus in den Ruhestand verabschieden. Nur logisch ist es da, dass Tilman Spengler, stellvertretend für viele andere Schriftsteller, eine Hommage auf Eva Schuster schreibt. aw

Vor wenig mehr als drei Jahren durfte ich auf diesen Seiten bereits einmal eine Liebeserklärung an Eva Schuster veröffentlichen. Ich unternahm den titanischen Versuch, im Namen aller Münchener Autorinnen und Autoren zu begründen, warum diese Person im literarischen Wettbewerb unserer Stadt so liebenswert wie unersetzlich ist. Der lapidare Schluss lautete damals: "Dank Eva Schusters Wirken ist München für Literaten ein in der Republik unerreichter Standortvorteil. So kann es bleiben."

Da sich dieses Thema nur schwer unter dem Begriff Popkultur subsumieren ließ, blieb die Zahl der mir von der SZ zur Verfügung gestellten Zeilen damals begrenzt. So musste einiges unter den Tisch fallen: eine genauere Würdigung von Evas Wirken zur Förderung von Literatur zum Beispiel. (Man spricht bei der Erwähnung dieser Person übrigens einfach nur von "Eva", das hat, wie vieles in der Kunst, mit Schöpfungsgeschichte zu tun, zielt in diesem Fall aber auch auf das Merkmal der Einzigartigkeit. Da käme die Zuordnung zu einem standesamtlich vermerkten Nachnamen als schnöde Vulgarisierung. Für Ausnahmen siehe unten.)

Und damit flugs zur Förderung von Literatur: Die Stadt München und ihr Magistrat unterscheiden sich von anderen Regierungen, die hier wirken, durch einen anderswo seltenen Einfallsreichtum in der Unterstützung jener literarischen Hoffnungen, die stets das Gute wollen und überraschend oft das Gute tatsächlich auch erreichen. Nein, nicht das gut Gemeinte, sondern jenes unerklärbar Gute, das den Keim zur Kunst entdecken, vielleicht auch erst erahnen lässt. Die Techniken dieser literarischen Bodenkultur sind hinlänglich bekannt, meist durch Gegner, die einer Gießkanne ihre segnende Wirkung absprechen und auf Pumpwerke schwören - oder umgekehrt.

Wie man aus beiden Vorgehensweisen Gewinn ziehen kann, lässt sich nirgendwo so gut nachvollziehen wie an Evas so geduldigem wie virtuosen Umgang mit Gießkannen und Pumpwerken im öffentlichen Förderungswesen. Besetzt sie dabei aus eigener Kraft Jurys, die über Preise, Fördermittel, Stipendien befinden? Nein, Gott behüte! Wer Pflanzen kennt und liebt, käme erst gar nicht auf den Gedanken. Aber irgendwo in ihrer Schürzentasche muss Eva einen Zauber aufbewahren, der Jurys davon abhält, nicht immer Preise an diejenigen zu verleihen, die gerade schon von anderen Jurys ausgezeichnet wurden. Oder nie. Oder im Interesse eines Verbandes von Buch- oder Zeitschriftenverlegern. Kurz gesagt, in München geht es oftmals gescheiter zu als in vielen Städten, die hier nicht aufgezählt sein sollen.

"Du hättest Stockholm schreiben können oder Hamburg", sagt in diesem Moment Joseph von Westphalen, der mir kritisch über die Schultern blickt. "Ich erinnere mich an Eva noch aus der Zeit, als sie uns Autoren nach jeder Buchpräsentation ihres Verlags das Tablett mit dem nicht angerührten Roastbeef einpacken ließ."

"Joseph hatte schon immer eine Schwäche für Charles Dickens und hungrige Dichter", sagt Axel Hacke. "Ich hätte Eva gern näher kennengelernt", fährt er fort, "aber ehrlich gesagt habe ich nur die Erinnerung an den Hoferichter Preis, weil der für mich damals so wichtig war, und einen hilfreichen Engel. Das war natürlich Eva."

"Wenn sie für ihr Referat zu einem Schriftstellertreffen einlädt", meldet sich Kerstin Specht zu Wort, "dann geht es sofort so vertraut zu, als säße man bei ihr in der Küche. Dabei war ich noch nie bei ihr in der Küche."

Die Arbeit einer städtischen Behörde als Inszenierung von glücklichen Begegnungen, als unauffällig nachhaltige Konturierung einer literarischen Landschaft zu verstehen und zu interpretieren, darin liegt die Kunst der Eva Schuster. Das ist vielleicht genetisch bedingt, ihre ganze Familie versteht sich schließlich auf Harmonien. Eine andere Deutung führt in die Musikgeschichte: Der Nachname Schuster verweist bekanntlich auf die vielleicht größte deutsche Oper, die den künstlerischen Wettbewerb zum Thema hat. Ich rede naturgemäß von Wagners "Meistersingern", von Eva und von Hans Sachs. Dessen Lebensbestimmung "Schuster dazu Poet" liefert einen gendertechnisch allerdings noch unvollkommenen Fingerzeig auf das glückstiftende Wirken unserer Eva. Auch bei ihr könnte man von "Probesingen" reden, doch fügen sich hier Chorfugen, ohne dass es zu Prügelszenen kommt.

Hier komme ich auf mein früheres Fazit zurück: "So kann es bleiben!" Dass es nicht so bleiben kann, walten Dienstbestimmungen, in denen so ungustiöse Begriffe wie jener der "Altersgrenze" eine Rolle spielen. Der Zauber wird bleiben.

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