Kulturpolitik:Streit um den Dialog mit der Welt

Das Auswärtige Amt will eine größere Rolle im Humboldt-Forum. Denn von den ursprünglichen Plänen eines Weltforums blieb nicht viel.

Von Jörg Häntzschel

Seit Kulturstaatsministerin Monika Grütters vor einigen Wochen Hartmut Dorgerloh zum künftigen Intendanten des Humboldt-Forums ernannt hat, schien das Gezerre um die Ausrichtung des Großprojekts beendet zu sein. Doch nun kündigt sich ein neuer Konflikt an: Das Auswärtige Amt (AA), das bisher kaum Einfluss auf das Humboldt-Forum hatte, beansprucht dort nun eine größere Rolle. Nachdem im Koalitionsvertrag die auswärtige Kulturpolitik mit einem eigenen Staatsministerposten aufgewertet wurde, will man Grütters die Regie über das Projekt nicht mehr alleine überlassen. So jedenfalls ist eine "Gedankenskizze" aus dem AA zu verstehen, in der es um den Umgang mit Kulturgütern aus der Kolonialzeit und um die internationale kulturelle Zusammenarbeit geht.

Aus dem gegenwärtigen Führungspersonal wird niemand Internationalität bewirken

Das Papier umreißt erste Maßnahmen zur Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte, auf die sich die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag geeinigt haben. Es fragt auch danach, wie Deutschland auf die Ankündigung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron reagieren könnte, aus Afrika geraubte Kunst in den nächsten fünf Jahren zurückzugeben.

Unter anderem schlägt das Papier vor, im Dialog zwischen Deutschland und den Herkunftsländern über den Begriff des "kulturellen Erbes" nachzudenken. Und es nennt einige von vielen geplanten Initiativen zum Ausbau der kulturellen Infrastruktur in Afrika, von Stipendienprogrammen und Kuratorenaustausch bis hin zu dem Projekt "Koloniales Erbe - die kulturelle Perspektive" des Goethe-Instituts.

Mit diesen Initiativen geht das Auswärtige Amt gegenüber dem BKM in Vorleistung. Für das Kolonialthema sind laut Koalitionsvertrag beide gemeinsam zuständig. Doch außer der Bewilligung einiger neuer Stellen für die Provenienzforschung war dazu vom BKM bisher wenig zu hören.

Und hier kommt das Humboldt-Forum ins Spiel: Das Papier empfiehlt es nicht nur als naheliegendsten Ort, um die Kolonialfragen zu verhandeln. Es weist auch auf die unmissverständliche Passage im Koalitionsvertrag hin, es solle eine "internationale Dialogplattform für globale kulturelle Ideen" werden. Nachdem mit der Ernennung von Dorgerloh feststeht, dass niemand aus dem Führungspersonal diese Internationalität herstellen können wird, schlägt das Auswärtige Amt vor, eine neue Stabsstelle im Organisationsgeflecht des Forums einzubauen. Es empfiehlt außerdem das Goethe-Institut mit seiner über Jahrzehnte aufgebauten Welt-Kompetenz als eine Art Außennetzwerk des Humboldt-Forums. Das AA pocht damit nicht nur auf eine prominente Rolle. Es belebt auch die alte Idee der "Agora" wieder, jenen Teil des Humboldt-Forums, in dem die Gegenwart verhandelt werden sollte und von dem unter Neil MacGregor so gut wie nichts geblieben ist.

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