Kulturpolitik:Nicht völkisch

Die AfD zieht in die Bundestagsausschüsse ein, darunter in den Kultur- und Haushaltsausschuss. Kann sie dort der Kultur schaden?

Von Jörg Häntzschel

Ein besonderer Schrecken nach dem Einzug der AfD in den Bundestag war die Vorstellung, die Partei könne sich den Vorsitz im Kulturausschuss sichern. Dieser ist unter anderem für die Erinnerungspolitik zuständig - und damit auch für das Holocaust-Mahnmal, das der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke ein "Mahnmal der Schande" genannt hatte. Die SPD-Abgeordnete Michelle Müntefering startete sogar eine Unterschriftenaktion, um gegen diese Eventualität zu protestieren. Dabei war die AfD gar nicht interessiert. Die SPD, so ist inzwischen klar, behält den Vorsitz.

Wenn die Ausschüsse an diesem Mittwoch zu ihren konstituierenden Sitzungen zusammenkommen, könnte die AfD dennoch Irritationen verursachen. Vor allem im Haushaltsausschuss, wo sie in Peter Boehringer voraussichtlich den Vorsitzenden stellen wird. Boehringer hatte die Kanzlerin wegen ihrer Flüchtlingspolitik einmal "Merkelnutte" genannt. Interessant ist diese Besetzung auch für die Kulturpolitik, denn der Haushaltsausschuss hatte in den letzten vier Jahren mehr Einfluss auf die deutsche Kultur als der Kulturausschuss selbst. Letzterer hat die Kulturpolitik der Regierung zwar mahnend begleitet, konnte aber wegen der großen Mehrheit der Koalition aus CDU/CSU und SPD gegen die Regierung kaum Punkte machen.

Die Abgeordneten förderten Digitalstrategien von Museen und die Sanierung von Synagogen

Ganz anders der Haushaltsausschuss, der unabhängig von den Ressortbudgets eigene Gelder für alle möglichen Vorhaben verteilt - nicht zuletzt in der Kultur. Für das Jahr 2017 hat der Bundestag in diesem Bereich nicht weniger als 267 Millionen Euro bewilligt - zusätzlich zu den 1,36 Milliarden im regulären Kulturetat. Diese Mittel gehen zwar durch die Hände von Kulturstaatsministerin Monika Grütters, doch in welche Projekte sie fließen, entscheiden die Abgeordneten. Sie förderten unter anderem die Digitalstrategien von Museen (15 Millionen Euro), die Sanierung von Synagogen in Augsburg und Lübeck und den Ausbau eines jüdischen Bildungszentrums (10,5 Millionen Euro) und das Berliner Haus der Kulturen der Welt (sieben Millionen Euro).

Geschuldet ist das vor allem den Abgeordneten Rüdiger Kruse (CDU) und Johannes Kahrs (SPD), die im Ausschuss für Kultur zuständig waren - und dies auch in Zukunft sein werden. Was bedeutet es also für deren Arbeit, wenn künftig ein AfD-Mann ihrem Ausschuss vorsitzt? Kruse ist unbesorgt: "Der Vorsitzende leitet die Sitzungen, aber er hat ja nicht die Mehrheit. Er kann anmahnen, dass das, was wir vorschlagen, nicht völkisch genug ist. Dann nehmen wir das zur Kenntnis und arbeiten weiter."

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