Kulturpolitik:Mattglanz der Politroutine

Kulturpolitik: Franck Riester, Jahrgang 1974, ist neuer französischer Kulturminister.

Franck Riester, Jahrgang 1974, ist neuer französischer Kulturminister.

(Foto: Joel Saget / AFP)

Franck Riester ist neuer französischer Kulturminister. Der 44-jährige Konservative lebt offen homosexuell. Er wird vor allem die Medienreform durchsetzen müssen.

Von Joseph Hanimann

Der Wunschkandidat des Präsidenten Macron war Franck Riester nicht. Mehrere andere Kandidaten für die Nachfolge der Kulturministerin Françoise Nyssen sollen bei der komplizierten Regierungsumbildung in Frankreich angefragt worden sein, unter ihnen die populäre Fernsehmoderatorin Anne Sinclair. Doch es gab offenbar lauter Absagen. Die Rückkehr eines Berufspolitikers ins Amt wurde mit entsprechend gebremster Freude aufgenommen.

Franck Riester ist seit 2007 in der Nationalversammlung vertreten und war bis 2017 Mitglied der konservativen Partei Les Républicains, ehemals UMP. Er gilt als Kenner vor allem seines zweiten künftigen Kompetenzbereichs: der Kommunikation und der Medien. Die Verlegenheitslösung soll also zum Trumpf umfunktioniert werden. Der neue Minister wird vor allem die angekündigte Medienreform durchsetzen müssen. Wie um diese allzu offensichtliche Überlegung herunterzuspielen, verlor er bei der Amtsübergabe am Dienstag kein Wort über die Medien und sprach nur von Malerei, Literatur und Film.

Der 44-jährige Konservative bekennt sich offen zu seiner Homosexualität

Der 44-Jährige mit der hageren Gestalt und einer Ausstrahlung irgendwo zwischen englischem Dandy und vergeistigtem französischem Dominikanermönch wurde schon mit 16 politisch aktiv und engagierte sich vor allem in Jacques Chiracs Partei RPR und deren Nachfolgerin UMP. Nach deren Rechtsrutsch der letzten Jahre ging er auf Distanz, stimmte 2013 als beinah einziger seiner Partei für die von Hollande gewollte Ehe für Gleichgeschlechtliche - Riester bekennt sich offen zu seiner Homosexualität - und gründete nach der Wahl Macrons 2017 mit einem Dutzend weiterer Abtrünniger die Partei Agir ("Handeln"), die sich rechts von der Mitte im Kunststück einer kritischen Unterstützung der Macron-Regierung übt.

Während der Vorbereitung des "Hadopi"-Gesetzes gegen unerlaubtes Herunterladen von Musik und Filmen im Internet unter Sarkozy tat Riester sich als Befürworter des strengen Durchgreifens hervor und wurde auch Mitglied des Aufsichtsgremiums. Sarkozys Kulturminister Frédéric Mitterrand betraute ihn dann 2011 mit einer Studie über musikalische Vielfalt im Zeitalter der Digitalisierung. Seiner Vorgängerin im Kulturministerium Françoise Nyssen wiederum empfahl er unlängst die Schaffung einer staatlichen Zentralinstanz für Musikproduktion nach dem Vorbild des Centre National du Cinéma zum Zweck einer kohärenteren Gesamtpolitik.

Gegen Nyssen setzte er sich aber noch im vergangenen Juni für ein anderes Kulturverständnis in den öffentlichen audiovisuellen Medien ein. Wo seine Vorgängerin als deren Hauptaufgabe das Informieren, das Austragen wichtiger Gesellschaftsdebatten und die Bildung sehen wollte, stellte Riester die Bedeutung von qualitätsvoller Unterhaltung in den Vordergrund. Auch gute Quizsendungen und Videospiele seien Kultur, erklärte er. Im Bereich der Medienpolitik schwebt Riester eine Art französische BBC mit zentraler Führung vor. Vom Personal und von den Gewerkschaften dieses Bereichs wird seine Ernennung mit einer Mischung aus Genugtuung und Skepsis aufgenommen. Zufrieden ist man über seine Fachkenntnis. Besorgt zeigt man sich darüber, dass er mit seinem Zentralisierungswillen die bevorstehende Medienreform noch ein Stück straffer zurren könnte. Hoch erfreut über die Ernennung zeigen sich vor allem die französischen Organisationen für Urheberrechtsschutz im Musik- und Filmbereich.

Die ursprüngliche Hoffnung Macrons, dem technokratisch verfilzten Kulturministerium wieder etwas Glanz zu verleihen, erfüllt sich mit dem neuen Amtsinhaber Franck Riester kaum. Der Versuch mit der Literaturverlegerin Nyssen, die mit der Ministerrolle nie richtig klarkam und sich dann auch noch mit Rechtsaffären aus ihrer früheren Berufstätigkeit herumschlagen musste, ist gescheitert. Die Politroutine kehrt zurück.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: