Kulturpolitik:Lohn und Not

Theater Lübeck Fassade

Das Theater Lübeck.

(Foto: Olaf Malzahn)

Wie an vielen Theatern steigen auch in Lübeck die Personalkosten laufend, doch die Budgets gleichen das nicht aus. Der Direktor Christian Schwandt ist den jahrelangen Spardruck leid und gibt seinen Job vorzeitig auf.

Von Till Briegleb

Christian Schwandt ist müde und kämpferisch zugleich. Er hat seinen Job als Theaterdirektor in Lübeck vorzeitig zum Juli 2020 gekündigt, weil er das Sparen nicht mehr erträgt. Aber er ist noch nicht so zermürbt, dass er diesen Abschied leise vollzieht. Die Landesregierung Schleswig-Holsteins in Kiel interessiere sich nicht für Kultur, klagt Schwandt öffentlich, und das zeige sich nicht nur darin, dass die zuständige Ministerin Karin Prien (CDU) in zwei Jahren Amtszeit nicht ein einziges Mal in seinem Theater gesichtet wurde (und auch nicht im Kieler). Die Jamaika-Koalition lasse ihre Kulturinstitutionen, und speziell diejenige, für die er verantwortlich ist, "am ausgestreckten Arm verhungern", so Schwandt.

Das Problem besteht seit Jahrzehnten: Die öffentlichen Arbeitgeber handeln Lohnerhöhungen aus, die sie allen ihren Angestellten bezahlen, nur denen am Theater nicht. Und der Bühnenverein, der die Gagen der Künstler aushandelt, schließt sich diesen Tarifabschlüssen an, verbunden mit der Forderung, Länder und Kommunen müssten dies aber mit Budgeterhöhungen ausgleichen. Tun sie aber nicht, jedenfalls fast nie vollständig. Das bedeutet im Fall von Lübeck, dass es rund vier Prozent höhere Lohnkosten gibt, die der Staat, der diese Mehrbesoldung ausgehandelt hat, aber nur mit 1,5 Prozent ausgleicht.

2,5 Prozent faktische Budgetkürzung jedes Jahr schlaucht aber nicht nur den Theaterdirektor, sondern den ganzen Betrieb in ständigen Verteilungskämpfen. Und das bei einer Bezahlung, deren Nähe zur Armutsgrenze auch subventioniertes Kantinenessen nicht ausgleicht. Obwohl Schwandt aus sozialen und künstlerischen Erwägungen seinen vielen Mindestlohnverdienern 2300 Euro zahlt, statt der vom Bühnenverein beschlossenen 2000 Euro, liegt der Durchschnittslohn an seinem Haus bei 3000 Euro monatlich, und zwar brutto. Damit liegt Lübeck inzwischen hinter den Theatern im Osten Deutschlands.

Auch die künstlerischen Etats für die Produktionen müssen ständig beschnitten werden. Drei Millionen Euro hatte Schwandt zuletzt für rund 30 Premieren, davon neun in der Oper, zur Verfügung. Da gibt es natürlich woanders noch deutlich ärmere Zustände. Aber die Ausstattungen an diesen Theatern sehen dann eben auch aus wie vom Discounter.

Ehrungen für das Programm, wie die Verleihung des Faust-Preises des Bühnenvereins für die Oper "Don Carlo" in der Regie von Sandra Leupold 2014 oder die Wirkung über das rein Lokale hinaus, so Christian Schwandt, sind nach der nächsten Sparrunde nicht mehr zu leisten. Davon abgesehen bräuchte das seit über 20 Jahren nicht mehr sanierte Haus dringend Investitionen von rund zehn Millionen Euro, von denen Schwandt verspricht, vier Millionen selbst aufzutreiben - wenn Kiel hilft.

Auf dem Papier hilft Kiel natürlich. Die für die sträfliche Vernachlässigung gescholtene Ministerin rief nach dem Rücktritt zwar nicht mal bei Schwandt an, ließ aber über eine Pressemitteilung verlauten, sie bemühe sich darum, die Tarifkostenbeteiligung auf 2,5 Prozent zu erhöhen.

Und dann führt sie, um ihr großes Engagement zu belegen, die letzte Renovierung des damals baufälligen Theaters an. Was sie nicht dazu sagt ist, dass diese schon 1993 stattfand und finanziert wurde durch die Abschaffung des Lübecker Balletts.

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