Kulturpolitik:Kein Reförmchen

Der SPD-Abgeordnete Helge Lindh fordert eine wirklich unabhängige Limbach-Kommission und ein deutsches Restitutionsgesetz.

Interview von Catrin Lorch

Die Limbach-Kommission soll reformiert werden, das ist das Ergebnis einer Anhörung vor dem Kulturausschuss des Bundestags. Nicht nur Vertreter von Opferverbänden und Restitutionsexperten üben seit Langem Kritik an dem Gremium, das in strittigen Fragen zur Rückgabe von NS-Raubkunst Empfehlungen ausspricht. Auch dessen Vorsitzender, Hans-Jürgen Papier, kritisiert die Kommission. Er fordert ein Raubkunst-Gesetz (SZ vom 21. Februar). Einen Entwurf zur Reform hat nun die SPD vorgelegt. Wir sprachen darüber mit Helge Lindh, der sich in seiner Fraktion unter anderem mit Themen wie Restitution, NS-Kunstraub und Kolonialismus befasst.

SZ: Was sind die dringlichsten Maßnahmen, die Sie vorschlagen?

Helge Lindh: Nicht nur eine Restitutionsexpertin wie Agnes Peresztegi hat im Bundestag Veränderungen angemahnt - auch der stellvertretende Vorsitzende der Limbach-Kommission Wolf Tegethoff hat zugegeben, dass die Arbeitsfähigkeit nicht optimal ist. Das war ein Hilferuf, den wir aufgreifen sollten.

Zunächst muss die Beratende Kommission aus dem Zentrum für Kulturgutverluste ausgegliedert und mit eigenem Budget und eigenem Personal ausgestattet werden. Wir sollten mehr Experten einbinden, Gutachten anfordern können, auch privaten Sammlungen unsere Hilfe anbieten. Die Einrichtung einer Stiftung könnte dafür hilfreich sein, ich bin aber auch mit jeder anderen Rechtsform zufrieden, die Unabhängigkeit herstellt.

Sie fordern auch, dass künftig nicht mehr die Museen gemeinsam mit den Erben die Empfehlung der Limbach-Kommission einholen, sondern dass auch die rechtmäßigen Erben allein einen Fall vor das Gremium bringen können. Warum sollten Museen und Sammler aber dann deren Rat befolgen?

Die einseitige Anrufbarkeit steht im Zentrum des Antrags. Es kann nicht sein, dass sich Museen einfach der Prüfung entziehen. Wir gehen davon aus, dass der öffentliche Druck hoch ist, wenn die Beratende Kommission erst einmal zu einer Empfehlung gekommen ist. Wir haben keine Rechtsgrundlage und es gibt keine Zwangsmittel. Aber der Makel, sich so einem Appell nicht zu beugen, wäre für ein öffentliches Museum gewaltig.

Die Grundlage solcher Empfehlungen sind aufwendige Forschungen und Gutachten, wer soll das bezahlen?

Es geht um eine wirkliche Reform, nicht um ein paar vereinzelte Maßnahmen, ein Reförmchen. Und es herrscht kein Geldmangel. Wenn der politische Wille wirklich da ist, haben wir die Möglichkeit, im Etat des Bundeskulturministeriums oder auch haushalterisch Mittel zur Verfügung zu stellen. Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat sich öffentlich dazu bekannt, dass es Änderungsbedarf gibt. Das muss sie jetzt auch finanziell einlösen.

Was spricht eigentlich gegen ein Restitutionsgesetz? Wäre es nicht auch in Deutschland an der Zeit für verbindliche Regelungen, wie sie die Niederlande schon haben? Sogar der Vorsitzende Hans-Jürgen Papier hat das vorgeschlagen.

Ich fordere ja selbst auch ein Restitutionsgesetz, es gibt viele Argumente dafür. Aber derzeit sehe ich keine Chance, das in der Koalition mit der CDU durchzusetzen - eine solche Forderung wäre wie ein Luftballon, der sofort zerplatzt.

Zudem kann so ein Gesetz nur im Zusammenspiel zwischen Bund und Ländern funktionieren, und die Abstimmung würde lange dauern. Es wäre also nicht richtig, sich allein darauf festzulegen. Damit sich die Situation für die rechtmäßigen Erben schnell verbessert, müssen wir die Reform vorantreiben und gleichzeitig an einem Gesetz arbeiten.

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