Kulturgeschichte:Wenn Götter streiten

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(Foto: Gerstenberg Verlag 2020)

In dem kunstvoll gestalteten Pop-up-Buch über die Welt der alten Griechen wird Athen, mit seinen historischen Bauten und der politischen und mythologischen Geschichte, zu einem haptischen Abenteuer.

Von Michael Stierstorfer

Wozu ein weiteres Sachbuch über die Welt der alten Griechen? Eine Antwort auf diese Frage gibt der vorliegende Prachtband. Mit seinem DIN-A3-Format und dem Cover - der in einem goldenen Gewand mit Medusenhaupt an der Brust auftretenden Athene - lädt der Band zum Eintauchen in eine Klapp- und Pop-up-Welt ein. Knappe und eingängige Texte erschließen dem Leser die Errungenschaften der alten Griechen. Über den Streit um die Namensgebung von Athen zwischen Poseidon und Athene erfährt man etwas auf der Seite, welche die einzigartige Silhouette der Akropolis und deren bunt bemalte Tempel als Pop-up-Elemente zeigt. Mit viel Liebe zum Detail ist die Fassade des Tempels mit dem filigranen Fries an der Spitze und den monumentalen dorischen Säulen gezeichnet. Ein paar Seiten weiter ist der Parthenon-Tempel in Großansicht als wichtigster sakraler Ort der Akropolis sogar aufklappbar. Ein weiteres Highlight ist die Doppelseite über die Agora, den Hauptplatz Athens, der als das Zentrum und die Wiege der Demokratie angesehen wird. Hier war der politische Versammlungsort der zehn von der Volksversammlung gewählten Heerführer. An die kriegerische Seite der attischen Macht erinnern die Bilder der furchteinflößenden Schilde zur Abwehr der Feinde. Dort verkörpern etwa grimmige Stier- oder Löwenköpfe, vielarmige Oktopusse, wild gewordene Eber oder die Fratze einer grünäugigen Medusa aus archaischer Zeit die Schrecken des Kampfes. Klappt man diese kachelähnlichen Elemente auf, so findet man sachlich knappe Texte und Darstellungen von archäologisch korrekt abgebildeten Waffen und Kriegsrüstungen.

Einen besonderen Einblick in die griechische Kultur erhält der Leser durch die Darstellung von Homers Heldenepen Ilias und Odyssee, die als die Wiege der europäischen Literatur angesehen werden. Troja steht in der Mitte einer Doppelseite mit seinen scheinbar unüberwindbaren Mauern als Pop-up-Element. Doch schon eine Ebene dahinter erscheint das Trojanische Pferd bedrohlich hinter der Stadt und überragt deren Mauern. Anhand bekannter Vasendarstellungen in neuem Design, die hier weder rot- noch schwarzfigurig inszeniert werden, sondern erfrischend farbig reanimiert sind, folgt der Leser zentralen Stationen der beiden weltbekannten Epen durch das Wenden und Drehen zahlreicher Papierelemente.

Um auch die zentrale Frage, des "Quid ad nos?" (was geht uns das heute noch an), zu beantworten, führt die abschließende Doppelseite in den Texten und den Bildern vor, dass das griechische Erbe in fast alle Bereiche unserer Gegenwartskultur einfließt. Dieses vielseitige Buch für Jung und Alt - gleich am Anfang, um junge Leser für das Thema zu begeistern, werden der Alltag in Athen, das Familienleben und die unterschiedlichen Ausbildungen für Mädchen und Jungen gezeigt - bietet viel Spannendes für Leser mit Entdeckerdrang, und verliert auch bei mehrfachem Betrachten nicht seinen Reiz. (ab 8 Jahre)

Carole Saturno: Griechenland. Mit Illustrationen von Emma Giuliani. Aus dem Französischen von Sarah Pasquay. Gerstenberg Verlag 2020. 20 Seiten, 29 Euro.

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