Kulturaustausch:Posen vor Pharaonen

Kulturaustausch: Für den Videoclip filmt Kameramann Mike Meyer den Nay-Floetenspieler Rageed William vor der Cheops-Pyramide.

Für den Videoclip filmt Kameramann Mike Meyer den Nay-Floetenspieler Rageed William vor der Cheops-Pyramide.

(Foto: René van der Voorden)

Wenn Bayerns "Quadro Nuevo" vor den Pyramiden spielt, gibt das gute Bilder. Interessante Musik wird erst im Opernhaus daraus

Von Oliver Hochkeppel, Kairo

Auf dem Weg zu den Pyramiden fährt man Kilometer um Kilometer an hässlichen Trabantenstädten vorbei. Teilweise sind in ihren Fassaden nur Löcher, da wo sie Fenster haben sollten. Bis an den Rand des einst mitten in der Wüste gelegenen Weltwunders haben sie sich schon herangefressen, die einzigen Bauten, die darin wie Oasen des Schönen wirken, sind die Moscheen. Das oberbayerische Weltmusik-Quartett Quadro Nuevo und seine ägyptischen Kollegen Cairo Steps sind zu Foto- und Filmaufnahmen unterwegs, die sie für ihr aktuelles Tourprojekt brauchen.

Schließlich wollen die Musiker die schönen Seiten Ägyptens betonten. Die Magie des viereinhalbtausend Jahre alten, immer noch menschliches Maß sprengenden Ensembles aus den Pyramiden und der Sphinx wird das ihrige dazu beitragen. Ebenso wie das farbenprächtige Gewusel der Basare, der exotische Reiz der Menschen und schließlich die Pracht der drei auf dieser Konzertreise gemeinsam bespielten Opernhäuser in Kairo, Alexandria und Damanhour. Und doch sind die nur kleine Kultur-Oasen im Wahnsinn der Metropolen des Landes am Nil.

Der Staat Japan hat Anfang der Achtzigerjahre das moderne Opernhaus in Kairo gestiftet. Mohamed Ali Pascha gab Ende des 19. Jahrhunderts die Oper von Alexandria in Auftrag. Die kleinere, aber vielleicht schönste in Damahour hat in den Zwanzigerjahren König Fuad initiiert. An allen drei Orten zeigt sich bei den Konzerten von Quadro Nuevo und den Cairo Steps die verbindende Kraft der universellen Sprache Musik: Die Zuhörer sind begeistert von dieser klanglichen Begegnung von Orient und Okzident. Überwindet sie doch kulturelle, religiöse und politische Unterschiede voller Respekt.

Nach dem Konzert in Damanhour erreicht die im Dezember - noch ohne Quadro Nuevo - vom ägyptischen Fernsehen aufgenommene Cairo-Steps-Version von Erik Saties "Gnossienne No. 1" fast anderthalb Millionen Facebook-Zugriffe und klettert auf die Nummer Eins der Clip-Liste. Auf der Straße, im Hotel und am Flughafen müssen die Musiker Autogramme geben und für Selfies posieren. Diese interkulturelle Begegnung erreicht die Menschen auf einfache und direkte Art. Das vom Auswärtigen Amt unterstützte Kulturprojekt hat damit wahrscheinlich schon jetzt mehr erreicht als so manches mühevoll aufgesetzte Regierungsprogramm, das Millionen kostet.

Von Etappe zu Etappe erweitern die Musiker den Wortschatz ihrer europäisch-arabischen Musiksprache und verfeinern deren Grammatik. Schon in Alexandria klingen die Stücke dichter, "tighter", wie der Jazzer sagen würde. Beim großen Finale mit "Dance du Nil", "Siwa" und "Arabiskan" finden alle so harmonisch zusammen, dass man es vor dem geistigen Auge - authentischer als bei Ellingtons "Caravan" - förmlich sehen kann. Da ziehen Kamele ihre Bahn durch die Wüste, die Schiffe erreichen nach bewegter Fahrt auf dem Nil den ruhigen Hafen. Die Schleiertänzerinnen wiegen sich im heißen Wind. Höhepunkt ist wieder der phänomenale Gesang von Sheikh Ehab Younis, der auch den tief berührt, der kein Wort Arabisch versteht. Dessen freie Phrasierung beweist, wie nah der Sufi-Gesang in Sachen Improvisation dem Jazz ist.

Dabei hatte das letzte Konzert in Damanhour nicht gerade unter einem glücklichen Stern gestanden. In der Examenszeit nach den Feiertagen ohnehin nicht ausverkauft, fiel es auch noch auf einen der drei, vier Tage im Jahr, an denen es dort regnet und kalt ist. Die Straßen verwandeln sich dabei in ein Pfützen- und Schlamm-Meer, und wie im Fall eines Schneesturms in Oberbayern geht man hier dann lieber nicht aus dem Haus. Auch mit der Weiterentwicklung des Repertoires - etwa durch gezogene Septakkorde von Andreas Hinterseers Akkordeon bei "Khaliji Steps" - war es nach drei Stücken erst einmal vorbei. Auch da hat die ungewöhnliche hohe Feuchtigkeit offenbar einen Kurzschluss in Mischpult und Anlage beschert und zudem vier Monitorboxen ins Jenseits befördert. Doch in jeder Krise liegt bekanntlich auch eine Chance. Quadro Nuevo spielte ihren Soloteil einfach unplugged und vor dem Bühnenvorhang. Das brachte nicht nur die exzellente Akustik des Saales zum Vorschein, es ließ den vier Vollblut-Straßenmusikern auch die Herzen der Zuhörer zufliegen. Zur Überbrückung der Reparaturzeit hängten sie ein paar eigene Songs an, darunter den "Kleinen Italiener" mit einem Coltrane-artigen Solo von Mulo Francel.

Was in die eine Richtung funktioniert hat, wird seine Wirkung wohl auch auf dem umgekehrten Weg nicht verfehlen: Im März kommen die ägyptischen Musiker nach Deutschland, am 21. werden sie gemeinsam mit Quadro Nuevo die große "Pharao"-Ausstellung im Rosenheimer Lokschuppen eröffnen. Danach folgen übers Jahr gemeinsame Termine, aber auch für sich genommen werden beide Bands diesen gelungenen Kulturtransfer weiterführen.

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