Kultur:Zeichen der Zeit

Kultur: Meist ohne Worte drückt der Münchner Heinz Birg politisch Brisantes aus. Andere Arbeiten zeigte die Galerie schon 2011. Zeichnung: Heinz Birg

Meist ohne Worte drückt der Münchner Heinz Birg politisch Brisantes aus. Andere Arbeiten zeigte die Galerie schon 2011. Zeichnung: Heinz Birg

Till Hofmann und Grisi Ganzer lassen die Galerie Truk Tschechtarow nach sechs Jahren Pause wieder aufleben. Mit wahrem Kassengift: Satire

Von Sabine Buchwald

Mit Dieter Hildebrandt gingen die Lichter aus. Eine Hommage an ihn, den großen Kabarettisten, war die letzte umfangreiche Schau in der kleinen Galerie Truk Tschechtarow. Das ist sechs Jahre her. Danach gab es, abgesehen von einer spontanen Ausstellung mit Malerei von Flo Weber, Schlagzeuger der Sportfreunde Stiller, im vergangenen Sommer, in der Haimhauserstraße 16 keine Kunst mehr zu sehen. Die Flächen waren mit Schreibtischen vollgestellt und als Büro genutzt worden. Raum war in Schwabing schon vor sechs Jahren knapp. Inzwischen ist er noch knapper geworden, dazu die politische Lage rauer im Land. Höchste Zeit darauf zu reagieren, dachten Till Hofmann und Grisi Ganzer, die Truk Tschechtarow nun wieder aufleben lassen.

Das ist Luxus in diesen Zeiten der kostbaren Quadratmeter. Noch dazu, weil der Fokus der Galerie erneut auf Zeichnern, auf Karikatur, auf Humor und Satire liegen wird. Ein Genre, das zum Geldverdienen nur wenig taugt. Ein umso wichtigeres, wie Hofmann findet. "Pointen zu setzen, ist die große Kunst in dieser Zeit", sagt er, Betreiber unter anderem der Kabarettbühnen der Lach- und Schießgesellschaft und des Vereinsheims, Gründer des Bellevue di Monaco. Ihm fehle es an Reflexion im Allgemeinen, im Besonderen über Tabus, über das, was geäußert werden darf, ohne verletzend zu sein. Ihm gehe es viel zu laut zu, zu effekthascherisch.

"Reflexion" lautet nun auch das Motto nach der langen Kunstpause. Dafür hat Kurator Grisi Ganzer zusammen mit Caroline Redka Arbeiten vieler Zeichner eingesammelt, die hier schon in Einzelausstellungen zu sehen waren. Und einige dazu, 20 insgesamt. Endlich ist auch etwas Weiblichkeit hier vertreten an den unrenovierten Wänden durch Miriam Wurster, Katharina Greve und Barbara von Johnson. Letztere hat noch bei Oskar Kokoschka gelernt, deshalb ist sie wohl mehr dem Malen als dem Zeichnen zugetan. Obwohl: Johnson hat in den Sechzigerjahren den Schreinerkobold Pumuckl für Ellis Kaut entworfen. Weil ihr Pinsel und Zeichenstift nicht genug sind, schreibt sie auch Gedichte. Passend ist der Zwölf-Zeiler "Verklemmt" ausgesucht, der vom Sagen oder Nicht-Sagen handelt und erklärt, warum Meinung eben raus muss: "Ich sage nichts, weil keiner fragt / doch fühl ich mich verkehrt" (...). Mit Johnson ist eine Einzelausstellung im kommenden Jahr geplant. Drei bis vier soll es fortan wieder jährlich geben.

Mit Freude trifft man auf alte Bekannte: Den viel zu früh verstorbenen Christian Moser etwa mit zwei seiner "Monster des Alltags", der "Inkonsequenz" und dem "Groll". Oder Papan mit einem lakonischen Hinweis in einer gezeichneten Wüstenlandschaft: "Hier hört der Spaß auf". Heinz Birg gibt ein kommentarloses, deutliches Statement ab gegen Fremdenfeindlichkeit. Halteverbotsschilder macht er zu anonymen, abweisenden Gesichtern. Anders setzen Greser & Lenz das Thema um. Bei ihnen zählt auch immer das Wort. Zum "Landtagswahlkampf im Osten" entwerfen sie das zynische Plakat: "Der Klimawandel ist nicht von Menschen gemacht, sondern von Ausländern und Asylanten". Gruß: AfD. Rudi Hurzlmeier steckt malerisch "Adolfs Ding in Formalin", Gerhard Seyfried entwirft ein Emblem für "Nazis gegen rechts" mit Adolfs stilisiertem Gesicht. Mit Neonazis nimmt es auch Greve auf. Sie lässt eine Reporterin fragen: "Sie distanzieren sich von dem Attentäter in Halle?" und einen bulligen Skin antworten: "Ja. Wir wollen nicht auf Antisemitismus reduziert werden."

Bei der Menge der Künstler gibt es viel zu entdecken und zu lachen. Das sei die beste Medizin gegen das Tragische, gegen das Monströse im Menschen, sagte Gérard Biard, Chefredakteur von Charlie Hebdo, 2015 nach dem Attentat in seiner Redaktion dem Tagesspiegel. Ein Grund, so Biard, auch über Themen zu lachen, die eigentlich nicht komisch sind - über Terrorismus, Fundamentalismus oder die Flüchtlingskrise. Darüber nachzudenken allemal.

Reflexion, die Ausstellung läuft bis 23. Februar, donnerstags bis freitags 16 bis 19 Uhr, samstags und sonntags 14 bis 17 Uhr, Galerie Truk Tschechtarow, Haimhauserstraße 16

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