Kultur:Wundervolle Vielfalt

Der Münchner Carlos Cipa stellt sein neues Album vor

Von Martin Pfnür

Im Grunde reicht ein kurzer Blick auf das Cover dieses tollen Albums, um zu erkennen, dass hier einer zu ungekannter Variabilität gefunden hat. In satten gelben, blauen, grünen, roten und schwarzen Tönen leuchten einem da jene krakeligen Striche vor weißem Hintergrund entgegen, die so gar nichts mehr mit dem einheitlich monochromen Artwork von Carlos Cipas ersten beiden Platten zu tun haben. Es sind visuelle Entsprechungen einer klanglichen Vielfalt, die dem versierten Münchner Musiker nach einem solo am Piano eingespielten ("The Monarch And The Viceroy") und einem dezent Richtung Ambient-Music ausgerichteten Album ("All Your Life You Walk") ganz wunderbar zu Gesicht steht.

Ohne den zutiefst kontemplativen Charakter seines bisherigen Outputs zu verleugnen, erweitert Cipa auf "Retronyms" (Denovali Records) mit einer ganzen Riege an Gästen verschiedenster Genre-Hintergründe sein Spektrum, indem er seine eigenen weit gestreuten musikalischen Interessen zwischen Klassik und Pop, Jazz und Electronica erstmals konsequent bündelt und zu einer digital-analogen Kammermusik verflicht, die in jedem der acht Stücke auf unterschiedliche Art und Weise aufscheint. Mal als bloßes abstraktes Klangexperiment wie in der eröffnenden Miniatur "Fanfare", für die er Einspielübungen seines Posaunisten Christopher Mann durch diverse Filter jagte; mal edel auskomponiert wie im anfangs noch ganz sacht und luftig zirkulierenden und schließlich mit zupackend gravitätischer orchestraler Kraft voranschreitenden "Senna's Joy"; immer aber mit einem feinen Gespür für die Balance zwischen Struktur und Improvisation, zwischen hypnotischer Repetition und erhebender Dynamik.

Schlicht wundervoll ist das, wie der bis dato eher als Purist agierende Cipa sich hier an Tasten-Instrumenten wie der Celesta, dem Harmonium, dem Rhodes- oder dem Wurlitzer-Piano sowie diversen analogen Synthesizern neu ausrichtet und mit seinen Mitmusikern in den Dialog tritt. Sei es in "Slide", in dem Tasten- und Saitenklänge sich als träumerische Meditation zwischen Piano und E-Gitarre mit einem gewissen Pop-Appeal umtänzeln. Sei es im ätherisch verschleppten "Dark Tree", in dessen weit geöffnetem Hallraum die gedämpften Improvisationen des Jazz-Trompeters Matthias Lindermayr ihre ganze Schönheit entfalten können.

Der ganz große Durchbruch mag Carlos Cipa als Teil jener Szene um Visionäre wie Nils Frahm (am 7. Oktober in der Philharmonie) oder Hauschka, für die sich irgendwann der ungeliebte, da reichlich inadäquate Begriff "Neo-Klassik" durchsetzte, noch nicht gelungen sein. Mit diesem großen Album könnte sich das jedoch durchaus ändern. Zu wünschen wäre es ihm jedenfalls.

Carlos Cipa, Freitag, 27. September, 19.30 Uhr, Ampere, Zellstraße 4

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