Kultur:Hollywood Babylon

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Christof Weigold schreibt eigentlich Drehbücher. Doch inzwischen hat er eine zweite Karriere als Autor von sehr unterhaltsamen historischen Krimis gestartet. Ihr Thema: Skandale und Verbrechen in Hollywood. (Foto: Stephan Rumpf)

Christof Weigold erfand Witze für Harald Schmidt, wandte sich dem Film zu und etabliert sich nun als Krimi-Autor

Von Sabine Reithmaier

Der Mann heißt Hardy Engel. Nicht Engels. Das ist seinem Schöpfer Christof Weigold wichtig. Dabei hat dessen Privatdetektiv, ein gescheiterter Schauspieler, mit einem Engel wenig gemein. Er lebt in einer schäbigen Wohnung in Los Angeles, ist ein Macho und fühlt sich nur der eigenen Vorstellung von Recht und Ordnung verpflichtet. Ein echter "Hardboiled Detective" eben. Weil er aber doch nicht so hart gesotten ist, gerät er im Sündenpfuhl Hollywood immer wieder ins Straucheln. Weigold hat ihn in der Filmstadt schon zwei diffizile Kriminalfälle lösen lassen, Verbrechen, die sich in den Zwanzigerjahren dort wirklich ereigneten.

Weigold, 1966 in Mannheim geboren, wohnt in Schwabing. Schon seit 1985, als er zum Studieren nach München zog. In den Lebensläufen, die über ihn im Internet kursieren, werden aber immer die dreieinhalb Jahre besonders hervorgehoben, in denen er in Köln lebte: jene Zeitspanne von 1996 bis 1999, als er Autor der Harald-Schmidt-Show war. Erhalten hat er den Job übrigens wegen der Satiren, die er für die damals noch existierende "Letzte Seite" der SZ am Wochenende geschrieben hatte.

600 Sendungen machte er für Schmidt. Die Late-Night-Show, 1995 gestartet, wurde schnell Kult. "Aber irgendwann wollte ich lieber Drehbücher schreiben und kündigte." Als Comedy-Autor eine gut bezahlte Festanstellung aufgeben - das muss man erst einmal fertigbringen. Harald Schmidt sei, gelinde gesagt, erstaunt gewesen, erinnert sich Weigold. Wenig später zog er zurück nach München, da hier die meisten Filmproduktionsfirmen saßen.

Der Start als Drehbuchautor fiel ihm nicht schwer. "Man war gefragt, wenn man von Schmidt kam." Allerdings auch festgelegt auf Komödie. Dabei hatte Weigold vor Schmidt nicht gewusst, dass er lustig auch konnte. "Wenn man eine große Karriere als Autor anstrebt, denkt man nicht an so etwas", sagt er. Seine frühen Theaterstücke seien nicht lustig gewesen. Aber auch schon erfolgreich: 1988 beeindruckte er die Jury des Münchner "Autorentheater-Wettbewerbs", darunter den Schriftsteller Tankred Dorst und Hans-Joachim Ruckhäberle, den Chefdramaturgen der Kammerspiele, mit seinem Stück "Links der Isar".

Weigolds Filmografie liest sich beeindruckend. Sein jüngstes großes Projekt hängt gerade in der Warteschleife, das Buch für den Kinofilm "Phuketgrad" (AT) mit Till Schweiger und dem in Russland nicht minder berühmten Schauspieler Fedor Bondartschuk in den Hauptrollen. Fünf Drehbuchfassungen hat er für die Culture-Clash-Komödie geschrieben. Das sei normal, sagt er, auch dass zwischendurch russische Kollegen mitschrieben. Jetzt wartet er, ob es dem Produzenten gelingt, Till Schweiger davon zu überzeugen.

Die Wartezeiten sind aber nicht der Grund für seine Krimis. Ursache ist vielmehr die Gewissenserforschung, die er ein Jahr vor seinem 50. Geburtstag betrieb. "Ich fragte mich, was ich in meinem Leben noch gemacht haben möchte." Die eindeutige Antwort: einen Roman schreiben. Da er gern Detektivromane liest, lag ein historischer Krimi nahe. Und Hollywood passt natürlich zu einem Filmschaffenden. Recherchiert hat er ausgiebig, war zwecks Licht und Entfernungen sogar an den Originalschauplätzen. Das meiste aber hat er sich angelesen, beschäftigte sich schon in den Schmidt-Jahren mit der Biografie Charlie Chaplins, der neben anderen berühmten Stars in den Krimis auftaucht, nicht unbedingt als positive Gestalt. Weigold entdeckte, dass Hollywood von einem Deutschen mitgegründet worden war: dem aus Baden-Württemberg ausgewanderten Carl Laemmle, der auf dem Gelände einer ehemaligen Hühnerfarm im Stadtteil Hollywood 1912 die Universal City Studios gründete. Viele Produktionsfirmen folgten ihm. Von Anfang an gab es dort, wie überall, Skandale, allerdings mit etwas mehr Glamour. Doch der zündende Gedanke war die Idee, die Krimireihe auf echten Skandalen aufzubauen. Sie liefern das Gerüst für den fiktiven Detektiv, der, als er noch Polizist in Deutschland war, von einer Filmkarriere in Hollywood träumte.

Die Welt, in die es ihn verschlägt, ist ziemlich fies. In den ersten Fall rutscht er eher zufällig hinein. Der Stummfilmstar Roscoe "Fatty" Arbuckle, ein enger Freund Buster Keatons, wurde 1921 wegen Mordes an der Schauspielerin Virginia Rappe angeklagt. Nach drei Prozessen wurde er freigesprochen, seine Karriere blieb ruiniert. Aufgrund der Umstände - angeblich hatte er die Frau vergewaltigt - wirkt Arbuckle wie ein Vorläufer von Harvey Weinstein. Nach Erscheinen von "Der Mann, der nicht mitspielt" (Kiepenheuer & Witsch, 2018) wurde Weigold in jedem Interview nach dem amerikanischen Filmproduzenten gefragt. Aber als dessen Fall publik wurde, war das Buch längst gedruckt gewesen.

Hardy Engels zweiter Fall erschütterte das junge Hollywood nicht minder stark. Am 1. Februar 1922 wurde der Regisseur William Desmond Taylor erschossen in seinem Haus aufgefunden, in "Der blutrote Teppich" übrigens von Engel selbst. Weil er in Verdacht gerät, bleibt ihm nichts anderes übrig, als den Mörder zu finden. Nicht einfach, denn die Filmbranche vertuscht Verbrechen meisterhaft. Die Lüge obsiegt, die Aufklärung wird verhindert. Der Leser erfährt dank Engel die Wahrheit, an der Welt aber geht sie vorbei. Der echte Mord gilt bis heute als ungeklärt.

Hardy Engel erzählt rückblickend aus der Ich-Perspektive. "Das gibt mir die Gelegenheit, sarkastische oder zynische Kommentare einzubauen", sagt Weigold. Er will auch nicht ausschließen, dass er, wenn er die Gesprächsrunden der Filmmogule beschreibt, die gegenwärtige Produzentenwelt im Kopf hat. "Ich sitze oft in diesen Runden und weiß, wie geredet wird."

Die Mischung aus Fakten und Fiktion, Witz und Zeitkolorit gelingt ihm ausgezeichnet. Momentan schreibt er am dritten Roman, täglich drei bis vier Stunden. "Ich bin unheimlich strukturiert und plane alles genau", sagt er. Disziplin hat er bei Harald Schmidt gelernt, Treffsicherheit ebenfalls. "Der Ton muss sitzen, da war Schmidt eine gute Schule."

Logisch würden sich die Krimis zum Verfilmen eignen. Aber das müssen die Produzenten erst noch entdecken. Zeit ist genug. Hardy Engel ist 1922 erst 31 Jahre alt. "Er kann noch 20 Jahre ermitteln." Vielleicht kann Weigold dann auch mal ein Krimi-Drehbuch entwickeln, jetzt wo er weiß, dass er nicht nur lustig, sondern auch Krimi kann. "Ich könnte einen ,Tatort' schreiben", schlägt er vor. Da müssen jetzt bloß noch die Produzenten draufkommen.

Christof Weigold: "Der blutrote Teppich" , Lesung, Donnerstag, 11. Juli, 19 Uhr, Buchhandlung Isarflimmern, Auenstraße 2

© SZ vom 10.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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