Deutsches Tagebucharchiv:Tief in die Seele

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(Foto: Deutsches Tagebucharchiv)

Das Deutsche Tagebucharchiv ist Schatzkammer, Wunder und Peinlichkeit in einem. Aber warum weiß das niemand? Eine Reise durch das kollektives Gedächtnis deutscher Normalzustände und Befindlichkeiten.

Von Alex Rühle

Das Alte Rathaus von Emmendingen, ein Barockgebäude, mitten auf dem Marktplatz der badischen Kleinstadt. Draußen die dezemberüblichen Weihnachtsbuden, aus einem Lautsprecher plärrt "Last Christmas", während man hier oben unterm Dach im Deutschen Tagebucharchiv liest, wie Ingetraut Ruhnke Elvis hörte: "2. Juni 1958. Schon als ich aufwache, spüre ich die Wärme und ziehe die Bluse aus Amerika an. Höre auf BFN ,For You At Home'. Ich kann nur sagen toll! Als Elvis loslegt, bin ich hin. Radio auf volle Lautstärke, so lasse ich sein ,Wear my ring around your neck' dröhnen. Ich bin dem Schreien nahe. Elvis!! Nachdem ich gegessen habe, geh ich Monatskarte holen. Wie sie mich alle angucken. Macht das das Kleid?" Ingetraut Ruhnke ist zu dem Zeitpunkt, als sie ihr Tagebuch anfängt, 15 Jahre alt. Ihre schulischen Noten sind eher so mittel, aber wie sie selber schreibt: "Was macht das schon? Ich kaufe mir die Bravo und als ich sie dann in der Hand halte, wird ein unterdrücktes Jaulkonzert laut. Elvis ist auf der Rückseite. Ganz toll. Uhm, sweetie, mhm sugar, mhm, kiss me ..."

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