Kultur:Die Show geht weiter

Elbphilharmonie

Bei den Ticketverkäufen der Elbphilharmonie sei kein Rückgang festzustellen, so ein Sprecher.

(Foto: dpa)

Ob Lesung, Konzert oder Kino - das Publikum geht trotz Coronavirus noch gerne aus. Es gibt Veranstaltern zufolge aktuell noch keine Anzeichen für den Rückzug der Kulturbürger aufs Sofa.

Von Jörg Häntzschel

Es gibt keine Branche, die unberührt bleibt vom Coronavirus. Aber eine müsste es eigentlich besonders hart treffen: die Kultur. Wenn Flugreisen und Messen abgesagt werden, sollten wohl auch Theater, Kinos und Konzertsäle dichtmachen - vor allem, wenn sich, wie jetzt in Frankreich, sogar der Kulturminister infiziert hat, wenn auch nicht auf einer Kulturveranstaltung. Aber anders als in Frankreich und Italien haben die Behörden große und kleinere Veranstaltungen in Deutschland noch nicht verboten, mit Ausnahme von Bayern, das nun bei 1000 Zuschauern die Grenze zieht. Und auch das Publikum geht noch gerne aus, so jedenfalls berichten Veranstalter und Institutionen. Es gibt, sagen sie, keine Anzeichen für den Rückzug der Kulturbürger aufs Sofa, keinen Trend vom Kino zu Netflix, von der Lesung zum Lesen. Dass sich bei den Verantwortlichen in der Branche dennoch der Frust breitmacht, hat einen anderen Grund: Sie tragen zunehmend schwer an der Verantwortung, die Behörden einfach an sie delegieren.

Wenig Händeringen gibt es bei all denen, deren Säle unter der 1000-Plätze-Kapazität liegen, also bei den meisten Kinos und Theatern. Sie sehen sich von Jens Spahns "Empfehlung" ohnehin nicht betroffen. Kein einziger befragter Veranstalter weiß von Absagen oder Spielplanänderungen zu berichten. Und die Leute kommen. Bisher habe nur ein einziger Besucher seine Karte umgetauscht, sagt die Sprecherin der Berliner Volksbühne. "Unser Publikum ist sehr entspannt."

Auch der Sprecher des Bochumer Schauspielhauses im schwer getroffenen Nordrhein-Westfalen, erklärt, das Coronavirus "betrifft uns überhaupt nicht". Man spreche täglich mit dem städtischen Krisenstab, bisher gebe es keine Anordnung, das Haus, das 800 Plätze hat, zu schließen. Ebenso sieht es in den Kinos aus. "Es gibt bisher keinen Besucherrückgang", heißt es vom Hauptverband Deutscher Filmtheater. Noch seien keine Vorführungen oder sonstige Events abgesagt worden.

Maurizio Pollini musste sein Konzert absagen. Er kam nicht aus dem Quarantänegebiet heraus

Etwas schwieriger ist die Lage bei den Konzerten, aber weniger der Besucher als der Künstler wegen. Der Pianist Maurizio Pollini etwa sollte am Montagabend in der Elbphilharmonie spielen. Doch da er aus dem Quarantänegebiet in Italien nicht ausreisen darf, wird das Konzert nun auf Mai verschoben. Schon im Februar wurde ein Neujahrskonzert mit chinesischen Musikern abgesagt.

Auch der Einbruch beim Tourismus hat die Elbphilharmonie bisher kaum getroffen. 90 Prozent der Karten würden an Hamburger verkauft. Bei den Ticketverkäufen sei kein Rückgang festzustellen, so Sprecher Tom Schulz. Er halte Spahns "1000er Regel" für "zu allgemein" und "für klassische Konzerte nicht gut geeignet". Das Ansteckungsrisiko sei in einem großen, gut belüfteten Saal wie der Elbphilharmonie mit 2100 Plätzen geringer als in engeren Räumen, unabhängig von der Zahl der versammelten Menschen. Abgesehen davon wünscht er sich aber klare behördliche Vorgaben, weil dann "Unsicherheiten bezüglich bestehender Verträge minimiert" würden.

Auch Elisabeth Hilsdorf, die Sprecherin der Berliner Philharmoniker, fordert von der Politik eindeutige Regeln statt "Empfehlungen auf privaten Twitter-Accounts oder in Talkshows". Gäbe es die nämlich, könnte sich ein Haus wie die Berliner Philharmonie bei einer Absage auf höhere Gewalt berufen und wäre nicht mehr regresspflichtig. Würde die Philharmonie - ein Haus mit 2400 Plätzen - hingegen jetzt freiwillig Konzerte absagen, müsste sie die Künstler und alle anderen Vertragspartner trotzdem bezahlen. Die Show geht also weiter, das Haus ist fast jeden Abend voll. Und die etwa 50 Personen, die am Wochenende versuchten, ihre Karten zurückzugeben, hatten leider Pech. "Wir denken über Kulanzregelungen nach, aber noch gelten sie nicht."

Nicht anders ist es derzeit bei Popkonzerten, wo noch erheblich mehr Geld auf dem Spiel steht. "Bislang wurde keine Tournee abgesagt oder verschoben. Wir beobachten die Situation aufmerksam und folgen den Anweisungen der Gesundheitsbehörden", teilt Katharina Wenisch vom Marktführer Livenation mit.

Offener spricht man bei der Art Cologne, Deutschlands größter Kunstmesse. Obwohl etliche Messen, die ITB in Berlin und die Münchner Handwerksmesse, abgesagt oder verschoben wurden, soll die Art Cologne wie geplant Ende April stattfinden. "Leider kann ich Ihnen nichts anderes sagen", erklärt Sprecherin Christine Hackmann - als wäre es ihr lieber, die Absage verkünden zu können. Auch die Art Cologne ist gefangen in der Haftung für Galeristen und viele andere - solange es keine andere Regelung gibt.

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