Kulinarisches Kino auf der Berlinale:Pracht des Einfachen

Berlinale

Niels Stokholm und eins seiner zutraulichen Rinder in dem Film "Good things await" beim Kulinarischen Kino in Berlin. In Deutschland heißt der Film "Viel Gutes erwartet uns" und kommt am 19. März in die Kinos.

(Foto: Phie Ambo)

Kam besser an als der Berlinale-Eröffnungsfilm: der Auftakt zum Kulinarischen Kino. Und das nicht mal, weil nach dem Film geschlemmt werden durfte. Ein alter Biobauer treibt dem Publikum die Tränen in die Augen.

Von Ruth Schneeberger, Berlin

Als Niels das dunkle Kino im Martin-Gropius-Bau betritt, strahlt er wie die Sonne: Das Gesicht rot, das Haar weiß, die Augen himmelblau - und sein Lächeln erhellt den ganzen Saal. Niels Stokholm ist 80 Jahre alt und strahlt einen Glanz aus, der sämtliche Stars und Sternchen der Berlinale in den Schatten stellt. Der Unterschied ist: Dieses Strahlen kommt von innen.

Der Auftakt zum Kulinarischen Kino an diesem Sonntagabend ist ein echter Glücksgriff: "Good things await" zeigt Niels in der Hauptrolle, wie er seinen biodynamischen Bauernhof in Dänemark bestellt und dabei gegen Behördenwillkür ankämpft. In weiteren Rollen: die Natur in ihrer reinen Schönheit. Eine fast ausgestorbene alte Rinderrasse, Weiden voller Blüten, die anderswo als Unkraut gelten würden, Spinnweben, in denen sich das Sonnenlicht bricht, Boden voller Regenwürmer und ein rot leuchtender Stall, der seit 30 Jahren nicht nur Wind und Wetter trotzt, sondern auch den ständig wechselnden Vorschriften für die Landwirtschaft.

Kampf um den Boden

Mit seiner Frau Rita kämpft der Landwirt seit Jahrzehnten "um unseren Boden", wie es in der Ankündigung vollmundig heißt, doch so klein der Thorshøjgaard-Hof im Norden von Kopenhagen ist, so groß ist in der Tat die Idee, die dahinter steckt: unser aller Essen wieder in natürliche Bahnen zu lenken. Das kleinschrittige und mühevolle Leben des Biobauern zahlt sich aus: Nicht nur das "beste Restaurant der Welt", das Noma in Kopenhagen, bezieht seine Produkte von ihm. Auch viele andere dänische Küchenchefs kaufen bevorzugt sein Fleisch und Gemüse. Weil die Idee überzeugt:

Niels und Rita bewirtschaften ihren Hof im Einklang mit der Natur und mit Respekt vor den Tieren. Ohne Chemie, dafür mit einem biodynamischen Saat- und Erntekalender, der sich an der Position von Sternen und Planeten orientiert. Manche Filmpassagen mögen für den normalen Supermarkteinkäufer merkwürdig klingen. Zum Beispiel, wenn Niels davon erzählt, dass der Rotanteil in bestimmten Blüten vom Planeten Mars kommt. Doch die dänische Regisseurin Phie Ambo führt den Zuschauer so behutsam durch Hof, Natur und Idee des Ganzen, dass man nicht an Biodynamik glauben muss, um davon überzeugt zu sein, dass hier sehr viel Gutes gelingt.

Mit anzusehen, wie liebevoll der alte Bauer mit seinen Tieren umgeht, lässt im Publikum die Tränen fließen. Die Ursprünglichkeit und Pracht des einfachen Lebens, die Verbundenheit von Mensch, Natur und Tieren bringt der Film so überzeugend auf den Punkt, dass die Filmcrew zum Abschluss mit Jubel und Standing Ovations empfangen wird.

Gemüse ist unser Fleisch

Nur schade, dass das anschließende Essen diese Überzeugungskraft missen lässt. Im Rahmen der Berlinale präsentiert das Kulinarische Kino seit neun Jahren neue Filme rund um das Thema Essen, danach wird gemeinsam getafelt, immer passend zum Film. Prämierte Hauptstadtköche kredenzen Leckereien, vom Filmthema inspiriert, in mehreren Gängen, dazu die passenden Weine. Abschließend plaudert auf der Bühne im Spiegelzelt eine Expertenrunde über das Thema des Abends, damit das Publikum Essen und Film auch gründlich verdaut.

Die Puntarelle ist wieder da

Umso bedauerlicher, dass das Essen ausgerechnet zum Auftakt des Kulinarischen Kinos diesmal eher ratlos zurück ließ. Ausgerechnet zu diesem rührenden Film. Michael Hoffmann als ehemaliger Chef des Berliner Gourmetrestaurants Margaux zeigte mit Puntarelle (wiederentdeckte alte Chicorée-Art) und geräucherter Erbsencreme zwar ganz im Sinne des Filmes, dass vier Gänge mühelos fast ohne Tierisches auskommen. Aber so wie Gemüsekost und Veganes in den vergangenen Jahren zelebriert wurden, hätte das Ergebnis an diesem Abend ruhig ein bisschen begeisternder ausfallen können.

Vielleicht aber hätte das Essen diesmal auch gar nicht gegen den Hauptdarsteller des Films anstinken können, denn Niels saß mit im Spiegelzelt und stand immer wieder stolz auf, wenn sein Name fiel, um seine neuen Fans anzustrahlen. Bei so viel Überschuss an Lebensenergie in seiner Mitte war das Publikum gleich weniger hungrig.

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