Eins steht fest: "Sunspring" ist gruselig. Aber nicht, weil dieser neunminütige Kurzfilm, dessen Titel "Sonnenfrühling" man nicht wörtlich nehmen sollte, grausam oder blutig wäre. Nein, der Grund, warum einem beim Ansehen ein leichtes Schaudern überkommt, liegt an seiner Entstehungsgeschichte. Denn das Drehbuch zu "Sunspring" hat Benjamin geschrieben. Und Benjamin ist eine Künstliche Intelligenz.
Ganz richtig gelesen, sie schreiben jetzt schon Drehbücher. IT-Spezialist und Programmierer Ross Goodwin hat einem Computerprogramm, das er "Jetson" nannte und das er eigentlich zur Texterkennung nutzte, mehr als hundert Science-Fiction-Drehbücher gefüttert. Die Skripte fand er im Internet, darunter sollen auch Kubricks "2001" und die komplette "Alien"-Reihe sein. Und die Künstliche Intelligenz lernte, die Drehbücher in Schnipsel zu zerlegen, zu analysieren und daraus schließlich eine eigene Geschichte zu verfassen.
Allein das wäre kurios genug. Aber zusammen mit dem Regisseur Oscar Sharp ("The Karman Line") hat Goodwin die von der Künstlichen Intelligenz geschriebene Geschichte bereits verfilmt. Und das Ergebnis ist erschreckend gut.
Also, zumindest relativ gesehen. Zwar fallen zwischen den drei Protagonisten, darunter Thomas Middleditch aus der Serie Silicon Valley, kuriose Sätze wie "Wir gehen und treffen gleich das Geld". Einer der beiden männlichen Schauspieler muss an einer Stelle "zum Schädel gehen" und lässt sich dann aus einem iPad mit grünem Licht bestrahlen. Aber den Plot kann man schon so verstehen, als würde Middleditch soeben erfahren, dass seine Freundin ihn betrügt. Auch die Aussage "Ich habe keine Ahnung von all dem hier" deutet zumindest an, dass hier jemand Zweifel hat, vielleicht sogar den Zustand der Welt als Ganzes anzweifelt. Warum genau Middleditch dann aber einen Augapfel hervorwürgt, dürfte an einem unvorhergesehenen Fehler des Programms liegen. Über derart unlogische Details muss man großzügig hinwegsehen.
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Aber nicht nur die Dialoge sind krude. Auch die Regieanweisungen lasen sich anfangs noch sehr holprig, wie Sharp auf der Website Ars Technica erzählt. Da stand dann etwa: "Er steht in den Sternen und sitzt am Boden." Erst mit der Zeit und mit steigendem Drehbuch-Input perfektionierte "Benjamin" seinen Schreibstil. Zusätzlich komponierte das Programm auch noch aus mehr als 1000 Titeln einen eigenen Song für den Film.
Angesichts so viel künstlicher Kreativität wirkt es ziemlich gruselig, wie weit die Künstliche Intelligenz bereits ist. Werden Computerprogramme bald auch Bücher schreiben, Aufsätze verfassen und sich anschließend gegenseitig rezensieren? So gesehen wirkt "Sunspring" fast gruseliger als jeder Splatterfilm.
Aber warum eigentlich "Benjamin"? Als der Film bei dem Filmfestival Sci-Fi London präsentiert wurde, war der Leiter des Festivals so begeistert von dem Computerprogramm, dass er es auf der Bühne interviewte. Auf die Frage, was es als nächstes vorhabe, antwortete das Programm:
"Los geht's. Die Mitarbeiter sind von einem Zug der brennenden Maschine aufgeteilt, die mit Schweiß baut. Niemand wird dein Gesicht sehen. Die Kinder fassen in den Ofen, aber das Licht rutscht immer noch auf den Boden. Die Welt schämt sich immer noch.
Die Party liegt bei den Mitarbeitern.
Mein Name ist Benjamin."
Von da an nannten Sharp und Goodwin ihre Künstliche Intelligenz Benjamin. Und irgendwie ist es doch ziemlich beruhigend, dass dessen Sprachfähigkeit noch gaaaanz viel Luft nach oben lässt.