Automatisierung:Künstliche Kunst

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Edmond de Belamy, geschaffen von einer künstlichen Intelligenz (Foto: Christie's/AP)

Künstliche Intelligenz malt, dichtet und macht ihre eigene Musik. Christie's hat jetzt für mehr als 400 000 Dollar das Gemälde eines Computers versteigert und auch unsere Hörgewohnheiten verändert KI täglich.

Von Michael Moorstedt

Das Auktionshaus Christie's hatte soeben eine Veranstaltung zu bieten, die es beinahe mit dem Banksy-Stunt des Konkurrenten Sotheby's aufnehmen konnte. Zum ersten Mal wurde ein von einer künstlichen Intelligenz gemaltes Bild versteigert. Das Motiv erinnerte an einen derangierten Rembrandt'schen Patrizier, die Bieter scheint das Bild jedoch beeindruckt zu haben. Für 432 500 Dollar ging es schließlich weg. In der kleinen, aber feinen Szene, die sich schon seit Jahren mit künstlicher Intelligenz und Kreativität beschäftigt, sorgte die PR-Aktion aber für ziemlichen Ärger. Nicht nur, weil es nicht das erste derartige Bild war, nicht nur wegen der Zweifel an der handwerklichen Qualität, sondern auch, weil das französische Kunstkollektiv Obvious, aus dessen Rechner das Bild kam, einen fremden Code benutzte, um es zu malen - oder besser: malen zu lassen. Die Frage, wer hier eigentlich der wahre Künstler ist, dürfte so manchem Urheberrechtler Kopfzerbrechen bereiten.

In den aufgeregten Meldungen der Kunstmagazine gingen Fragen nach dem Alleinstellungsmerkmal von menschlicher Kreativität und den üblichen Verdrängungsängsten angesichts zunehmender Automatisierung unter. Dabei ist es ja nicht nur die Malerei, die inzwischen von Robotern betrieben wird. Auch Gedichte, ja ganze Bücher werden von Computern geschrieben. Und überhaupt: Würde sich die Musik mit ihren klar definierten Regeln, Tonleitern und Rhythmen nicht sogar noch viel besser als Kunstform eignen, die von einer KI berechnet werden kann?

Hörgewohnheiten verändert

Schon heute verändert künstliche Intelligenz unsere Hörgewohnheiten bereits täglich. Wenn sie etwa die Spotify-Playlists und personalisierten Empfehlungen anhand der aktuellen Vorlieben von Millionen Nutzern neu sortiert. Labels wie Sony Music und Warner Music Group investieren ebenso in KI-Start-ups wie die legendären Abbey Road Studios. IT-Riesen wie IBM und Google haben eigene Programme zur automatischen Komposition im Produktportfolio. Und Amazon verpasste seinem smarten Assistenten Alexa kürzlich eine App namens Deep Music, die je nach Stimmung selbständig Samples zu Easy-Listening-Beschallung zusammenstellt.

Computerprogramme liefern Lieder im Stil der Beatles oder der Strokes, der sogenannte Lyric AI Assistant hilft Künstlern beim Schreiben von vermeintlich originellen Songzeilen. Das Unternehmen AI Music dagegen verspricht, bereits existierende Musik dem Kontext anzupassen, in dem sie gespielt wird. Etwa die Schlagzahl zu erhöhen, wenn man mit dem Auto unterwegs ist, oder die Bässe hochzudrehen, wenn der Hörer gerade seinen Sonntags-Dauerlauf unternimmt.

Kommt jetzt der total individualisierte Soundtrack des eigenen Lebens, der schon so oft besungen wurde? Auf der Homepage des KI-Start-ups Amper Music reicht es jedenfalls schon, Stimmung und Genre - Wohlfühl-Pop, moderne Klassiker - einzugeben. Nach einer knappen Minute Rechenzeit spuckt das Programm dann ein komplett neues 30-sekündiges Sample aus. Die Tonproben können beinahe schon überzeugen. Sie sind sicherlich nicht Grammy-würdig, und selbst im Formatradio hätten die Computerkompositionen wohl noch ein paar Schwierigkeiten. Aber zur Einbettung eines Werbespots oder als Fahrstuhlmusik ginge die Computermusik schon durch.

© SZ vom 29.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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