Künstler in Not:Ein Pizzabäcker ist kein Pianist

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Das milliardenschwere Rettungspaket der Regierung hilft den Künstlern ganz generell, aber nicht im Besonderen. Einige Bundesländer handeln gezielter, vor allem im Osten Deutschlands.

Von Jörg Häntzschel

Als "Rettungsschirm für den Kulturbereich" hat Kulturstaatsministerin Monika Grütters das 50 Milliarden schwere Hilfsprogramm bezeichnet, mit dem der Bund Selbständige und kleine Unternehmen unterstützen will. Doch das stimmt nicht wirklich. Zwar gibt es in der Kultur besonders viele Selbständige und viele kleine Betriebe, die jetzt mit geringen Einnahmen dastehen - oder ganz ohne. Grütters sprach von 80 000 abgesagten Veranstaltungen bis Mai und einem Schaden von 1,25 Milliarden Euro. Doch das Rettungsprogramm folgt einzig strukturellen und wirtschaftlichen Kriterien, nicht inhaltlichen. Es ist nicht auf die Kultur gemünzt und unterscheidet daher nicht zwischen einem Programmkino und einem Friseurladen, einem Pianisten und einem Taxifahrer.

Dennoch wird es einem Musiker, der nicht mehr auftreten kann, natürlich helfen, dass er jetzt Grundsicherung beantragen kann, ohne erst sein Vermögen aufzubrauchen und sich für die Größe seiner Wohnung rechtfertigen zu müssen. Selbständig oder mit bis zu fünf Mitarbeitern Arbeitende können bis zu 9000 Euro für die nächsten drei Monate bekommen. Bei Firmen mit bis zu zehn Mitarbeitern sind es 15 000 Euro. Und wer die Miete für seine Wohnung, sein Atelier oder seinen Proberaum gerade nicht bezahlen kann, steht unter Kündigungsschutz.

Die Maßnahmen, die Grütters in ihrem eigenen Ressort angekündigt hat, nehmen sich im Vergleich eher vage aus. Sie zielen darauf ab, die Gelder des vorhandenen Kulturetats so umzuschichten, dass sie "in Not geratenen Künstlerinnen und Künstlern gezielt zugutekommen".

Allerdings ist Kultur vor allem Sache der Bundesländer. Und diese haben inzwischen ihrerseits etliche Hilfsprogramme für Selbständige und kleinere Firmen gestartet. Die meisten von ihnen ähneln den am Montag vorgestellten Maßnahmen des Bundes, die am Mittwoch vom Bundestag beschlossen werden sollen. Im Detail finden sich aber jeweils Unterschiede.

Auch hier gibt es kaum Sonderregeln für Kulturschaffende. Am ehesten findet man sie in ostdeutschen Ländern. Zum Beispiel in Sachsen-Anhalt, das 400 Euro Soforthilfe monatlich an Künstler und Schriftsteller zahlt. Der Betrag kann zweimal beantragt werden. Sachsen und Thüringen bieten immerhin Entschädigungszahlungen für Veranstaltungen, die nach den behördlichen Verboten abgesagt werden mussten. Auch wer sich in Quarantäne begeben muss, kann Hilfen beantragen.

Die parallelen Hilfen von Bund und Ländern sind einerseits zu begrüßen, andererseits dürften sie zu einer enormen Verwaltungsschlacht führen. Nicht nur, weil jeder zweimal Unterstützung beantragen muss, sondern auch, weil die Länder ihre eigenen Gelder und zusätzlich die des Bundes verteilen. Wie "unbürokratisch" und "unkompliziert" das in der Praxis aussehen kann, wird sich zeigen.

Viele Kulturstiftungen sammeln Spenden, auch die Deutsche Orchesterstiftung

Auch sonst gibt es hier und da kleine Erleichterungen, die aber für die meisten keine substanzielle Hilfe darstellen werden: So können bei der Künstlersozialkasse Versicherte auf Antrag ihre monatlichen Vorauszahlungen reduzieren, wenn ihre Einkünfte gerade einbrechen. Auch die Verwertungsgesellschaften, die im Auftrag von Musikern, bildenden Künstlern und Autoren für Werke Tantiemen eintreiben, leisten Hilfe. Die Gema, die die Rechte von Komponisten und Songschreibern wahrnimmt, will 40 Millionen Euro bereitstellen.

Die Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten, die Interpreten, also etwa klassische Musiker, vertritt, bietet ihren Mitgliedern als Sofortmaßnahme 250 Euro für ausgefallene Konzerte und Produktionen. Beim Sozialfonds der VG Wort können sich Autoren um Hilfe bewerben. Für Filmschaffende gibt es einen Fonds der Verwertungsgesellschaft der Film- und Fernsehproduzenten. Die VG Bild-Kunst will Ausschüttungen vorziehen. Viele Kulturstiftungen, so die Deutsche Orchesterstiftung oder die Hamburgische Kulturstiftung, sammeln Spenden (eine Sammlung der Initiativen findet sich unter padlet.com/kreativedeutschland/zu41puas9yk3). Klar ist, dass in absehbarer Zeit noch sehr viel mehr Menschen in der Kultur Hilfe brauchen werden: Alle nämlich, die mit befristeten Verträgen arbeiten und demnächst ihre Jobs verlieren könnten.

© SZ vom 25.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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