Künstler als Propheten:Ich sehe was, was du nicht siehst

Zeugnisse künftigen Schreckens: Bilder, die sich wie Prophezeiungen lesen, zeigt das Historische Museum in Berlin als Kassandras des 20. Jahrhunderts. Die Bilder.

5 Bilder

Alfonso Iannelli, Der bedrohliche Schatten, um 1938

Quelle: SZ

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Um das Ende des 19. Jahrhunderts aber gewinnt sie noch einmal neue Kraft. Wissenschaft, Technik, Industrie drängen nach vorn; was jetzt mit einem oft aggressiven Unterton "Seele" oder "Geist" genannt wird, verlangt nach Ausdruck, hier fühlen sich die Künste aufgerufen. Die bürgerlich-fortschrittliche Welt wird als unwahr und korrupt empfunden. Apokalypse, Götterdämmerung, Generalkladderadatsch scheinen nur noch eine Frage der Zeit.

Bild: Alfonso Iannelli, Der bedrohliche Schatten, um 1938

Richard Oelze, Studie zu Erwartung, 1935

Quelle: SZ

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1912 malt Jakob Steinhardt die "Apokalyptische Landschaft". Die Ruine eines ausgebrannten Hauses reckt sich in einen giftgelben Himmel, zwei nackte Leichname liegen auf scharf gezackten Felsen wie auf den Zähnen einer riesigen Säge. Unwillkürlich möchte man das Bild auf die Schlachten des ersten Weltkriegs beziehen. Aber Steinhardt und seine Freunde, die "Pathetiker", hatten eigene künstlerische Absichten. Mit "großen erregenden Inhalten" wollten sie "Volk und Menschheit packen".

Richard Oelze, Studie zu "Erwartung", 1935

Rudolf Schlichter, Blinde Macht, 1932/37

Quelle: SZ

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Was wir heute als Vorahnungen des Ersten Weltkrieges ansehen, das sind Bilder einer unscharf gefassten Apokalypse, die das Verlogene, Verdorbene der bürgerlichen Gesellschaft vernichtet, auch wenn ein himmlisches Jerusalem nicht aufscheint. "Der Rächer" von Ernst Barlach (1914) schwingt sein Schwert für eine große Sache, mehr einem Engel als einem Menschen gleich.

Selbst Franz Marc, dem "das gute Europäertum" näher lag als das "Deutschtum", schreibt im Oktober 1914 von der Front, er sehe in diesem Krieg "den heilsamen, wenn auch grausamen Durchgang zu unseren Zielen, er wird die Menschen nicht zurückwerfen, sondern Europa reinigen, ,bereit' machen."

Rudolf Schlichter, Blinde Macht, 1932/37

Ludwig Meidner, Aus Rotte Korach, 1920

Quelle: SZ

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Das Pessimistische, eine tiefe Angst vor der Zukunft ist es allerdings, was das Ahnen und Mahnen trägt, in der großen Mehrzahl der Fälle zumindest. Die Kunst ist nicht das pathologische Institut, das aus überlegener Wissenschaft seiner Epoche die Diagnose stellt. Sie ist gleichfalls Patient, allerdings einer, der über sein Leiden sprechen kann.

Bild: Ludwig Meidner, Aus Rotte Korach, 1920

Hans Feibusch, Der Trommler, 1934

Quelle: SZ

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Deshalb sind auch so viele in Berlin versammelten Bilder verschieden deutbar und verschieden gedeutet worden. A. Paul Webers berühmtes Blatt ". . . und kommen nach kurzer Pause wieder" (1934/1955) - der Knochenmann auf der Trommel vor dem Rundfunkmikrophon - ist nach 1945 selbstverständlich als Vorausschau des Zweiten Weltkriegs gedeutet worden. Wahrscheinlich richtete es sich aber 1934 gegen die französische Politik. Eine schlagende Bilderfindung bleibt es.

Bild: Hans Feibusch, Der Trommler, 1934

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