Kuba:Der Mensch in der Cola-Flasche

Kuba: Eine Schweinebucht-Karikatur von Michel Moro Gómez.

Eine Schweinebucht-Karikatur von Michel Moro Gómez.

(Foto: Museo)

Unterdrückung kann für Satire eine gute Schule sein. Das ist aber nicht immer so: Ein Besuch des kubanischen Museums des Humors.

Von Gabor Benedek

Als der fremde Mietwagen vor dem eingeschossigen Gebäude hält, kommt dem Besucher sofort eine ältere Dame entgegen: Offensichtlich interessieren sich nicht allzu viele Menschen - vor allem aus dem kapitalistischen Ausland - für das "Museo del Humor", das Museum des Humors, im kubanischen San Antonio de los Baños, etwa 30 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Havanna gelegen. Die freundliche Leiterin des Hauses führt den Gast höchstpersönlich durch die hohen Ausstellungsräume, die sich zum schönen Innenhof der neokolonialen Stadtvilla öffnen. Die Räume sind spärlich mit Bildern behängt, die thematisch gruppiert sind: Zu sehen sind derzeit neben prämierten Werken eines Karikaturenwettbewerbs für junge Zeichner politische Blätter aus der nachrevolutionären Zeit sowie eine Sonderschau mit Arbeiten des renommierten Karikaturisten René de la Nuez (1938 - 2015), der schon gegen das Batista-Regime gezeichnet hat.

Wie nicht anders erwartet, beschäftigen sich die politischen Karikaturen fast ausschließlich mit dem Feind im Norden, dem "Imperium", also den USA. Julio César Rodriguez Martinez zeichnet der Justitia statt einer Augenbinde eine Dollarnote vor die Augen, Michel Moro Gómez sperrt den Menschen in eine Coca-Cola-Flasche oder formt aus der Blutlache eines in der Schweinebucht gefallenen amerikanischen Soldaten die Umrisse Kubas.

All das sind die so bekannten wie erwartbaren Ausdrucksmittel gleichgeschalteter und ausschließlich im Dienst eines totalitären Staates stehender politischer Karikaturen. Was einen verwundert, ist nicht diese linientreue Haltung, sondern das Fehlen von kritischen Blättern über die Unzulänglichkeiten des täglichen Lebens der Kubaner, was an sich ein reichhaltiger Fundus für die Karikaturisten sein müsste. Ja, man muss sagen, das aktuelle kubanische Angebot des "Museo del Humor" ist zwar informativ, aber leider ziemlich humorlos.

In der Presse findet man dennoch hie und da eine vorsichtig kritische Karikatur zu der kubanischen Versorgungskrise: In der Wochenzeitung Escambray, die sich im Impressum als offizielles Organ der Partei im Bezirk Sancti Spiritus bezeichnet (es gibt nur staatliche Zeitungen), erschien am 20. August 2016 - zusammen mit dem Artikel "Odyssee in der Tiermedizin" - eine Zeichnung, in der eine Kuh nach Medikamenten für ihr krankes Kalb sucht. Diese kleine Spitze gegen die Mangelwirtschaft erinnert sofort an die Humorgrenzen in den kommunistischen Ländern des ehemaligen Ostblocks: Auch dort war Kritik an den politischen Richtlinien tabu, aber ein kleines Ventil erlaubten die Machthaber - nach dem Motto, ein schmunzelnder Staatsfeind ist weniger gefährlich als ein verbitterter. Zu diesem geduldeten Spielraum gehörte allerdings in fast allen Ostblockstaaten auch die Existenz von satirischen Blättern - im Gegensatz zu Kuba, wo solche bald nach der Revolution verboten wurden: Eulenspiegel in der DDR, Szpilki in Polen, Dikobraz in der Tschechoslowakei, Ludas Matyi in Ungarn und Krokodil in der Sowjetunion dienten in erster Linie als Feigenblatt für eine sogenannte Pressefreiheit, durften aber gelegentlich Schmunzeln über Versorgungsmängel produzieren.

Für die Satire ist die Unterdrückung an sich eine gute Schule: Man bekommt ein feines Gespür für die Grenzen des Machbaren. Auch die kubanischen Karikaturisten kennen ihre Grenzen und bleiben angepasst. Wie damals im Ostblock gibt es auch in Kuba kein nennenswertes Privateigentum, in wirtschaftlicher Hinsicht könnte man fast von einer klassenlosen Gesellschaft sprechen: Einem Kubaner geht es nicht schlechter als dem anderen (es sei denn, dieser arbeitet in der Tourismusbranche), und das macht die Lage für ihn erträglicher.

Nun blicken alle gebannt und verunsichert einer Veränderung entgegen, und nicht wenige teilen die Befürchtung von Carlos Widmann ("Das letzte Buch über Fidel Castro"), dass die Spaltung der kubanischen Gesellschaft in Gewinner und Verlierer unvermeidbar sein wird. Möglicherweise ist diese Zukunft mit Pressefreiheit und Humor verbunden, ob sie auch lustig wird, ist eine andere Frage.

Museo del Humor. Calle 60 & 45 San Antonio de los Baños, Kuba, (Di - Sa, 10 - 18 Uhr; So, 9 - 13 Uhr)

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