Netzkolumne:Alte Gesichter, neues Geld

Netzkolumne: "Das Glück ist mit den Mutigen", tönt Matt Damon, also Entdecker, Astronauten und Kryptowährungs-Käufer.

"Das Glück ist mit den Mutigen", tönt Matt Damon, also Entdecker, Astronauten und Kryptowährungs-Käufer.

(Foto: Screenshot Youtube/crypto.com)

Warum Stars aus Sport und Unterhaltungsindustrie Reklame für Kryptowährungen und NFTs machen.

Von Michael Moorstedt

Beim Super Bowl wird den Werbespots in der Halbzeitpause mindestens ebenso viel Beachtung geschenkt, wie dem Geschehen auf dem Rasen. Wer kann und will sich die absurden Kosten für einen 30-Sekunden-Film leisten? In der diesjährigen Ausgabe der Veranstaltung Anfang der vergangenen Woche war es eindeutig, wer ganz vorne mitmischen will: die undurchsichtige Kryptowährungs- und NFT-Branche.

Menschen, die schon etwas länger dabei sind, fühlten sich unangenehm an die gleiche Veranstaltung vor 22 Jahren erinnert. Damals drängten die im neuen Markt aufstrebenden Dotcom-Unternehmen in die Ränge, die sonst dem Establishment der Konsumkultur vorbehalten schienen: Fastfood-Ketten und Getränke- oder Autoherstellern. Wenige Monate später platzte die Blase. Die meisten der Firmen, die damals versprachen die Zukunft zu formen, sind pleite oder wurden übernommen. Bei den aktuellen Fabelbewertungen von Kryptowährungen könnte sich die Geschichte wiederholen.

Ob es dazu kommt, bleibt abzuwarten. Ebenso bemerkenswert ist jedenfalls, wer hier für die Werbespots sein Gesicht hergibt. Comedy-Legende Larry David ist ebenso mit an Bord wie die Basketballstars Stephen Curry oder Lebron James und zahlreiche mehr oder weniger bekannte Rapper. Der Filmstar Matt Damon vergleicht in einem Werbespot für die Handelsbörse crypto.com das Investment in Bitcoins mit den großen Errungenschaften der menschlichen Geschichte, im Hintergrund sieht man Bilder von Gipfelstürmern, Flugpionieren und Astronauten. "Das Glück ist mit den Mutigen", sagt Damon, ohne mit der Wimper zu zucken.

Auf den ersten Blick scheint es sich hier um eine perfekte Kombination zu handeln. Schließlich bemisst sich der Wert der gehandelten Währungen vor allem nach ihrer vermeintlichen Exklusivität, Coolness und Bekanntheit. Die Kryptounternehmen versuchen so mit aller Macht, den Mainstream zu erobern - und damit auch die Kleinsparer davon zu überzeugen, ihr altes Geld in das neue Geld anzulegen. Kritiker weisen derweil daraufhin, dass so gut wie alle Kryptowährungen einem Pyramidenspiel gleichen, das nur existieren kann, wenn stets neue Investoren gefunden werden, welche die immer größer werdenden finanziellen Risiken tragen müssen.

Die Entertainmentindustrie gibt sich aber längst nicht mehr damit zufrieden, die Werbegesichter für die Krypto-Investments zu stellen. Filmstudios und Plattenlabels veröffentlichen inzwischen eifrig ihre eigenen Produkte. Als Merchandise zum Start neuer Filme, egal, ob "Matrix", "Ghostbusters" oder "Spider-Man", werden heutzutage nicht nur die üblichen Spielfigürchen, Poster oder Sammelkarten aufgelegt, sondern auch deren digitale Entsprechungen in Form von NFTs.

Ohnehin umfassen die Verflechtungen zwischen Prominenz und Kryptoszene längst viel mehr als nur simple Werbedeals. Die Grenzen zwischen Promisponsoring und Insiderhandel beginnen zu verschwimmen. So ist die einflussreiche Talent- und Künstleragentur CAA einer der maßgeblichen Investoren bei OpenSea, dem bekanntesten Handelsplatz für NFTs. Da ist es auch nicht verwunderlich, dass eine Menge von Celebrities, die bei der Agentur unter Vertrag stehen, mehr oder weniger subtil für die digitalen Zertifikate als Anlageprodukte werben. Und so palaverten Paris Hilton und Late-Night-Talker Jimmy Fallon unlängst in dessen Show über die sogenannten Bored-Apes-Bildchen, die inzwischen für Preise von mehreren hunderttausend Dollar gehandelt werden. Der Applaus des Studio-Publikums klang nicht überzeugend. Noch scheint Hoffnung zu bestehen.

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