Netzkolumne: Kryptogeld:Hab Spaß und bleib arm

Erster Bitcoin Automat in München, 2014

Bitcoin-Automaten, wie hier in München, gibt es schon. Aber das Start-up Worldcoin will Kryptogeld für alle und überall.

(Foto: Robert Haas/Robert Haas)

No-Coiner, Münzschürfer - und ein paar Ideen für allgemeinen Reichtum. Wie sich die seltsame Branche der Digitalwährungen behaupten will.

Von Michael Moorstedt

Als Zukunftsskeptiker hat man es nicht leicht. Zum Beispiel, wenn man mal öffentlich Bedenken anmeldet, ob diese Bitcoin-Sache wirklich eine uneingeschränkt gute Idee ist. Im schlechtesten Fall hagelt es Beschimpfungen. Im besten Fall kann man auf ein abschätziges "Have fun staying poor" hoffen - so lautet der Kampfbegriff gegenüber den noch nicht Bekehrten. No-Coiner heißen die Normalos unter Eingeweihten auch. Arm an Vorstellungsvermögen und digitalem Kapital.

Selbst sogenannte Gegenwartsanalysten unterliegen dem Bann und fragen sich kindlich trotzend, warum sie denn nicht auch zur Abwechslung mal eine neue Technologie feiern dürfen. Den Teil der Geschichte, in dem das Schürfen der Münzen den Stromverbrauch eines kleinen Nationalstaats übersteigt, nur um das ineffizienteste Zahlungssystem der Menschheitsgeschichte zu betreiben? Kann man schon mal ausblenden bei all dem Spaß, den man in der Art wohl zuletzt in einem poststrukturalistischem Proseminar verspürt hat.

Geschenkt auch, dass so gut wie alle Digitalwährungen in ihrer Natur mehr oder weniger einem Pyramidenspiel gleichen, das nur funktioniert, wenn ein stetiger Zustrom an neuen Jüngern zum Glauben an aufwandslosen Reichtum konvertiert. Oder die Tatsache, dass beinahe 90 Prozent aller 21 Millionen jemals zu erzeugenden Bitcoins bereits existieren. Oder, dass laut der Analystenfirma Flipside Crypto nur knapp zwei Prozent aller Accounts inzwischen etwa 95 Prozent aller jemals erzeugten Bitcoins besitzen. Das ist eine Konzentration an Reichtum, die selbst in der ja auch nicht gerade für ihre überbordende Gerechtigkeit bekannten Offline-Welt unerhört ist.

Wer das Kryptogeld will, muss sich scannen lassen

Die Utopie hat also reichlich Nachbesserungspotential. Wie schön, dass deshalb das Start-up Worldcoin gerade erst "eine neue globale digitale Währung, die zum Start jedem einzelnen Menschen auf der Erde einen Anteil geben wird", angekündigt hat. Man will also zwei moderne Ideen miteinander kombinieren. Kryptogeld und eine Art bedingungsloses Grundeinkommen. Wobei, ganz so bedingungslos ist es dann doch nicht. Eine Rolle spielt auch noch "ein eigens entwickeltes Hardware-Gerät, das sowohl die Menschlichkeit als auch die Einzigartigkeit eines jeden, der sich anmeldet, sicherstellt, während die Privatsphäre und die allgemeine Transparenz einer Blockchain erhalten bleiben".

Das klingt ziemlich unkonkret. Liest man weiter, erfährt man, dass es sich bei besagter Hardware um eine "silbrig glänzende Kugel" handelt, die dazu benutzt wird, die Iris eines jeden Nutzers einzuscannen. Bei wem sich nun doch Bedenken regen, darf sich gerne an Microsoft wenden. Auch hier hat man sich nämlich Gedanken darüber gemacht, wie man das Krypto-Ökosystem verändern kann. Und vor einiger Zeit ein Patent eingereicht, in dem eine neue Art und Weise der Digitalgelderzeugung beschrieben wird. Anstatt wie bislang Computer Rechenaufgaben lösen zu lassen, könnten die Münzen auch durch von Menschen generierte Daten geschürft werden. Zum Beispiel, indem die Nutzer Sport treiben oder eine Werbeanzeige betrachten. Sensoren und Scanner würden die physische und psychische Anstrengung des Nutzers messen, und zur Belohnung nach getaner Arbeit winkt dann ein bisschen Kryptogeld.

Wer nach all diesen Ideen noch immer keine Lust hat mitzumachen, dem ist wohl nicht mehr zu helfen. Es ist ja auch nicht das erste Mal, dass ein Start-up-Pitch an den Plot einer Science-Fiction-Gruselgeschichte erinnert. Immerhin würde so am Ende womöglich der Stromverbrauch sinken.

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