Kritik:Zeitgenössisches zum Genießen

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Die letzten drei Konzerte des Adevantgarde-Festivals

Von Klaus Kalchschmid, München

Zum Abschluss der 13. Ausgabe des ebenso kleinen wie feinen Festivals für Neue Musik, das alle zwei Jahre stattfindet und wieder von den Komponisten Alexander Strauch und Johannes X. Schachtner gemeinsam kuratiert wurde, gab es neben zwei Konzerten mit Musik für Blechbläser - mal kammermusikalisch, mal sinfonisch - die Uraufführung eines witzigen Hörspiels von Sandeep Bhagwati. Unter dem Titel "Dhvanivalas verlorene Sutren" widmete es sich als "Soundart-Stück" in locker und raffiniert kombinierten Interviews, Beschreibungen eines Erzählers und Geräuschen den raren, verwischten Spuren eines fiktiven schwulen Physikers und Komponisten aus Indien (Ursendung Deutschlandfunk, 6. November, 0.05 Uhr).

Danach spielte das grandiose Ensemble Schwerpunkt in der Black Box des Gasteig exzellente Musik für Blechbläser-Quintett. Tags darauf war das Polizeiorchester Bayern im Carl-Orff-Saal mit Werken für sinfonisches Blechblasorchester zu hören. Der Titel "Filmkonzert" war etwas irreführend, denn nur die Uraufführung "Adventurer - eine Hommage" von Markus Lehmann-Horn bot eine wunderbar illustrative musikalische Folie zu einem wilden Zusammenschnitt aus dem ersten Teil von Fritz Langs zweiteiligem Stummfilm "Die Spinnen", während die virtuose Textanimation von Florian Duffe erstaunlich passgenau auf "Mystikum VI" von Hubert Hoche ohne Bilder die Handlung beider Teile des Films erzählte.

Fredrik Schwenks lateinamerikanisch angehauchtes "Cape Town Energy", Albin Zainingers zündendes dreiteiliges Stück "Nexus", Steven Bryants "Whirlwind" und Sergey Khismatovs "Guardians of the Galaxy" waren dann sozusagen "Filmmusik für die Ohren"; letzteres eine Uraufführung, die im Gegensatz zu den anderen rhythmisch, melodisch und harmonisch eingängigen Stücken ein immer wieder raffiniert aufgerautes Klangkontinuum bot, bei dem eine Tuba (Janne Jakobsson) und das einzige Streichinstrument des Sinfonischen Blasorchesters, ein Kontrabass, solistisch hervortraten. In allen Stücken des vergnüglichen Abends bot das Polizeiorchester unter Johann Mösenbichler eine reife Leistung und lotete die tonmalerischen Effekte und kompositorischen Finessen der Stücke aus, ohne je plakativ zu werden.

Höhepunkt des Festivals war das fulminante Konzert mit dem Blechbläserquintett Ensemble Schwerpunkt, das Jarko Hartikainens "Radix" in seiner konzisen Bogenform präzise auf den Punkt brachte, die Uraufführung des siebenteiligen op. 19 von Michael B. Weiß, im Untertitel "Symphonie Nr. 3" genannt, in allen Kontrasten ungemein farbig und präzise auslotete, aber auch Pascal Dusapins "Stanze, Dyade" in jedem Klang, in jeder Phrase so zwingend musizierte, dass man schlicht vergaß, komplexer zeitgenössischer Musik zuzuhören.

© SZ vom 17.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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