Kritik:Hochdruck an den Bässen

Zum Finale des "Jazz Sommers" im Bayerischen Hof

Bass war das heimliche Motto des diesjährigen "Jazz Sommers" im Bayerischen Hof. Keine der sieben Bands des Festivals kam ohne Bass aus, drei wurden von Tiefton-Experten geleitet. In die Vollen ging es am Donnerstag und Freitag mit zwei Bandleadern, denen man mit großem Gewinn ihre musikalische Sozialisierung und die daraus gewonnene persönliche Haltung - musikalisch wie gesellschaftlich - anhören konnte. Zunächst bei Manou Gallo, die zwischen Kamerun und Belgien, zwischen Zap Mama-Erfolgen und gesundheitlichen Problemen einige Auf und Abs in ihrer Karriere erlebt hat. Zuletzt von Bootsy Collins gefördert, wirkte sie im Bayerischen Hof befreit wie nie. Auch, weil sie sich ganz auf ihre afrikanischen Wurzeln besann: Schon die munteren Ansagen bestritt sie im Wohlfühlmodus auf Französisch, dem folgten westafrikanische rhythmisierte Hochdruck-Funk-Nummern am Bass, aber auch Balladen und zungenbrecherische Freude- oder Protestgesänge, pur, mit Loop-Station übereinandergetürmt oder zur Gitarre und Ukulele.

Was bei Gallo die Rückbesinnung, das war beim Slapping-Veteranen Stanley Clarke die neue Liebe zum Kontrabass. Mit alten eigenen Hits wie "School's Out", Standards wie "Goodbye Pork Pie Hat" oder einer Hommage an Coltrane war sein Repertoire nicht gerade tagesaktuell. Aber Clarke präsentierte nicht nur nie gehörte perkussive Techniken an der Bassgeige, sondern auch ein grandioses Gespür für musikalische Rampen, für Pausen und Beschleunigungen. Und mit den Mitstreitern Cameron Graves, Beka Gochiashvili (beide an diversen Tasten) und Shariq Tucker an den Drums auch herausragende junge Wilde, die aus den Vorgaben eine Art Avantgarde-Fusion machten. Von ihnen wird man noch viel hören.

Das Finale schließlich war im Vergleich zu Clarkes instrumentaler Sportlichkeit an der Oberfläche unspektakulär, in der Tiefe jedoch umso fundierter. Denn der brasilianische Gitarrist und Sänger João Bosco ist der Nylonsaiten-Großmeister der rhythmischen Feindifferenzierung. Seine Pickings und Phrasierungen sind Mysterien der strukturellen Übersicht, emotional gebunden und zugleich intellektuell durchdrungen, die er auf ebenso rätselhaft empathische Weise mit seinen Begleitern teilt. Grandios waren die impulsgebenden Wechselspiele mit dem Schlagzeuger Kiko Freitas, grundlegend die beiläufig groovenden Bassfiguren von João Baptista, episch die schwelgenden Soloausflüge des Gitarristen Ricardo Silveira. Ein Gefüge der musikalischen Gegenseitigkeit, das sich auf das Publikum übertrug, bis hin zu "O Bêbabo e a Equlibrista" in der Zugabe, als der Night Club glücklich mit seinem Gast zusammen sang. Wie sehr die Bässe das Festival auch dominiert haben mochten, am Ende zeigte die Gitarre, wo die Poesie verborgen ist.

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