Kritik an Video:Das sehr weiße Afrika von Taylor Swift

Screenshot: Taylor Swift "Wildest Dreams"

Wilde Tiere und wehendes Kleid - aber keine schwarzen Menschen: Kritiker werfen Taylor Swift "Kolonial-Nostalgie" vor.

(Foto: Vevo/Taylor Swift)
  • Taylor Swift steht wegen des Videos zu ihrem Song "Wildest Dreams" in der Kritik.
  • Der Clip spielt in Afrika: Löwen und Elefanten kommen vor - schwarze Menschen hingegen kaum.
  • Das Video sei ein "nostalgischer" Blick auf die Kolonialzeit, warnen Kritiker.
  • Swift hat sich noch nicht zu den Vorwürfen geäußert. Der Regisseur des Videos hingegen schon.

Von Hakan Tanriverdi, New York

In Afrika leben keine schwarzen Menschen. Zumindest nicht in den wildesten Träumen von Sängerin Taylor Swift. So lautet der Vorwurf, mit dem die Musikerin nun konfrontiert wird, kurz nachdem das Video zu ihrem aktuellen Song "Wildest Dreams" veröffentlicht wurde.

Mittlerweile hat der Clip allein bei Youtube knapp 19 Millionen Klicks (in Deutschland ist das Video hier aus rechtlichen Gründen gesperrt). "Dieses Video erreicht den Durchschnittsbürger", sagt Matthew Carotenuto im Gespräch mit SZ.de. Carotenuto ist Professor für Afrikanistik an der St. Lawrence University im Bundesstaat New York. Das Video vermittle "einen sehr einfältigen Blick auf die Geschichte." Neben Carotenuto kritisieren es mehrere amerikanische Blogs und Webseiten. (Linktipps finden Sie am Ende des Artikels.)

Darum geht es im Clip

Im Video spielt Swift, ausnahmsweise mit schwarzen Haaren, einen Filmstar während der Dreharbeiten. Swift verliebt sich in ihren Filmpartner, gespielt von Eastwood-Sohn Scott. Die Handlung ist inspiriert von Elizabeth Taylor und Richard Burton, die während der Dreharbeiten zum Film "Cleopatra" eine Affäre hatten. Mal küsst Swift den Mann, am Set oder im Himmelbett, mal schubst sie ihn energisch von sich - und singt dabei "nothing lasts forever, but this is getting good now". "Nichts hält für immer, aber das hier wird jetzt interessant."

Riesige Ventilatoren blasen ihr bodenlanges, gelbes Kleid durch die Lüfte, das Video endet mit der Filmpremiere in einer amerikanischen Stadt. Die Aufnahmen wurden zum Teil in Afrika gedreht, wobei nicht ersichtlich ist, in welchem Land genau.

Auf einer der Filmklappen, die in die Kamera gehalten werden, steht eine Jahreszahl: 1950. Die Outfits von Schauspielern und Filmcrew sind: Krawatten, Hemden, Tropenhelme, allesamt in hellen Tönen, dazu kniehohe Stiefel. Weiße Menschen auf Safari-Tour. Optisch erinnert das Video an den oscarprämierten Film "Jenseits von Afrika" oder "African Queen" aus dem Jahr 1951.

Romantisierender Blick

Landschaft und Tierwelt werden in dem Musikvideo ausführlich gezeigt, es gibt Luftaufnahmen der Savanne und von Sonnenuntergängen, von Giraffen, Löwen, und Elefantenherden. Es sind Aufnahmen, die der Filmwissenschaftler Femi Okiremuete Shaka "Safari-Shots" nennt (hier seine Doktorarbeit als PDF). Safari-Shots zeigen die Landschaft Afrikas stets ohne Menschen, dafür bevölkert mit Tieren. "Die Ursprünge dieser Art des Filmens liegen in der europäischen Reise-Literatur und den Memoiren von Entdeckern, in denen Afrika als Oase für Jäger beschrieben wird."

Schwarze Menschen kommen im Video von Swift kaum vor. In wenigen Szenen stehen sie im Hintergrund. Wer sich konzentriert, entdeckt sie vielleicht direkt beim ersten Mal.

"Taylor Swift träumt von einem sehr weißen Afrika", schreiben James Arinaitwe und Viviane Rutabingwa (beide Ugander) auf der Webseite des Rundfunksenders NPR. Swift habe ein Video abgeliefert, in dem ein romantisierender Blick der Kolonialgeschichte gezeigt werde. Aber: "Kolonialismus war weder romantisch noch schön. Er war ausbeuterisch und brutal", so die Autoren.

Satirische Handreichung zum Videodreh

Swift habe das Recht, jeden beliebigen Standort als Drehkulisse zu verwenden. Aber das Video spiele in einer Zeit, "in der die Menschen, die von Swift und ihren Filmpartnern dargestellt werden, Millionen Afrikaner getötet, entmenschlicht und traumatisiert haben. Das ist mehr als problematisch."

Die Autoren verweisen auf einen Artikel des kenianischen Autors Binyavanga Wainaina mit dem Titel "Wie man über Afrika schreiben sollte" (hier die PDF-Version). Unter anderem heißt es dort: "Rede von Afrika so, als ob es ein einziges Land wäre. Es ist heiß und staubig mit hügeligen Grassavannen, gewaltigen Tierherden und großen, dünnen Menschen, die verhungern." Und später: "Afrika muss bemitleidet, angebetet oder beherrscht werden."

Diese Zeilen sind Satire, doch sie fassen die im Video gezeigten Szenen akkurat zusammen - bis auf die verhungernden Menschen und das Mitleid. Die Zeilen haben deshalb fast schon den Charakter einer Handreichung zum Videodreh.

Regisseur verteidigt sich

Swift hat auf die Vorwürfe noch nicht reagiert, der Regisseur hingegen schon. Joseph Kahn wies auf Twitter darauf hin, dass die Produzentin, mit der er zusammenarbeitet, eine schwarze Frau sei. In einem öffentlichen Statement führt er diesen Gedanken weiter aus: "Ich bin Amerikaner asiatischer Herkunft, meine Produzentin Jil Hardin ist Afroamerikanerin, der Cutter Chancler Haynes ist Afroamerikaner."

Das Video verfolge keine politische Agenda, sagt Kahn, es gehe nicht um Kolonialismus, sondern um eine Liebesgeschichte. "Wir haben uns gemeinsam dazu entschieden, dass es geschichtlich gesehen verfälschend gewesen wäre, mehr schwarze Schauspieler in die Filmcrew aufzunehmen. Dann hätte man dem Video Geschichtsklitterung vorgeworfen", so Kahn.

"Sehr naiv"

Carotenuto von der St. Lawrence University findet die Reaktion des Regisseurs nicht überzeugend. "Der besagte Zeitraum war gekennzeichnet durch Privilegien für weiße Menschen. Dazu kam eine strenge Hierarchie, die rassistisch begründet und mit Gewalt durchgesetzt wurde. Zu behaupten, dass es sich lediglich um eine Liebesgeschichte handle oder eine Ode an das klassische Hollywood-Kino sei, lässt Afrikaner in ihrer eigenen Geschichte nicht zu Wort kommen."

Der Rassismus, der historisch stattgefunden habe, werde in Form einer Romanze zelebriert. Wer im Jahr 2015 nicht darauf hinweise, sei "sehr naiv".

Linktipps:

  • Im US-Magazin The Atlantic weist Spencer Kornhaber auf die Tücken der Nostalgie hin: "Die Vergangenheit ist wunderschön, bis man daran erinnert wird, dass es übel war."
  • Carotenuto hat seine Position beim Online-Magazin Salon ausführlich aufgeschrieben.
  • Ebenfalls auf Salon schreibt Scott Timberg, dass Taylor Swift als Aushängeschild einer weißen Person gelte, die von Privilegien profitiere - ihrem Image schade das allmählich.
  • Die Journalistin Tshepo Mokoena schreibt im Guardian, das Ende der Kolonialzeit sei noch keine 65 Jahre her: "Für James Arinaitwe und Viviane Rutabingwa dürfte sich also das gewalttätige Erbe europäischer Minderheitenregierungen in Afrika noch ein bisschen zu frisch anfühlen, als dass sie Lust auf einen 2015er-Rückblick mit rosaroter Brille hätten." Insgesamt sei das Video aber nicht "so schlecht".
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