Krise bei Pro Sieben Sat 1:Ein Schlachtfest

Es brennt bei Pro Sieben Sat 1: Schlechte Zahlen, Aktiensturz, Vorstandswechsel. Trotz erfolgreicher Shows fiel die Aktie jetzt um 25 Prozent. Und die Krise wird immer größer.

Caspar Busse

Harald Schmidt und Oliver Pocher sprachen am Donnerstag Abend über die Quoten ihrer Late-Night-Show. Ob sie mit Schmidt & Pocher im Ersten wohl zwei Millionen Zuschauer erreichen, ob sie die Ansprüche erfüllen, was wäre, wenn nicht? "Oh Gott, dann müsste ich zu Pro Sieben zurück", meinte Pocher schmunzelnd, und auch Schmidt, viele Jahre ein Star bei Sat 1, musste lachen.

In der Tat: Zu Pro Sieben Sat 1 möchte derzeit wohl kaum jemand. Am Freitag zeigte sich, wie groß die Krise beim Münchner Fernsehkonzern wirklich ist. Überraschend gab Unternehmenschef Guillaume de Posch die Zahlen für das erste Quartal bekannt - und die fallen verheerend aus. Im ersten Quartal wird es vor Steuern sogar einen Verlust geben. Die Börse war entsetzt, die Aktie von Pro Sieben Sat 1 ging um 25 Prozent nach unten, das Papier notiere jetzt bei nur noch zehn Euro, so tief wie seit mehr als vier Jahren nicht mehr. Gleichzeitig räumt Peter Christmann seinen Vorstandsposten, er soll die Verantwortung für das Desaster übernehmen. De Posch, der offenbar fest im Sattel sitzt, will Christmanns Bereich Verkauf und Marketing zunächst selbst übernehmen.

Ein Teufelskreis

Der Konzern müsse nun die Kosten weiter senken, kündigte de Posch an. Etwa 70 Millionen Euro sollen 2008 zusätzlich im Budget gespart werden, insbesondere im Vertrieb und in der Verwaltung, aber auch durch "eine optimierte Nutzung des existierenden Programmvermögens", wie de Posch sagte. Was darunter zu verstehen ist, bleibt offen. Es werde aber weiter in die Entwicklung neuer Programme investiert, heißt es. Schon jetzt sehen manche Experten den Konzern in einem Teufelskreis: Durch den Sparkurs verschlechtert sich das Programm, als Folge sinken die Quoten, dadurch auch die Werbeeinnahmen, dann werde weiter gespart, Tendenz fallend.

Als Begründung für die plötzliche Verschärfung der Krise führt de Posch zum einen die Schwäche des Konzernsenders Sat 1 an, die sich nun mit zeitlicher Verzögerung auswirke. Sat 1 hat schon lange mit schwachen Einschaltquoten zu kämpfen, zuletzt lagen die Marktanteile bei der für die Werbewirtschaft relevanten Gruppe der 14- bis 49-Jährigen zwar wieder bei elf Prozent, doch eigentlich erhofft sich der Konzern mehr.

Zum anderen ist das neue Verkaufsmodell in Deutschland für Werbezeiten gescheitert. Im vergangenen Jahr hatte das Kartellamt Pro Sieben Sat 1 und RTL mit einer Rekordstrafe belegt, weil die Vermarktungsmodelle der beiden Großen wettbewerbswidrig seien. Marketing-Vorstand Christmann strich deshalb alle Rabatte für Großkunden und führte ein neues Modell ein - das die Werbeagenturen ablehnten. Daraufhin setzte Christmann das alte Verfahren wieder ein. Pro Sieben Sat 1 steuerte um, gewährt wieder Rabatte, und Christmann muss gehen. Im Hintergrund scheinen die wenigen großen deutschen Werbeagenturen Druck ausgeübt zu haben. Gegen Motorradfan Christmann, 43, ermittelte wegen der Werbezeiten auch die Staatsanwaltschaft . Er war 13 Jahre für den Konzern tätig und baute den Vermarkter Seven One Media auf. Dieser soll nun umgebaut werden, möglicherweise stehen dabei auch Arbeitsplätze auf der Streichliste.

Besonders unzufrieden dürften die Mehrheitseigner des Konzerns sein, die beiden Finanzinvestoren KKR und Permira. Am Freitag war Pro Sieben Sat 1 an der Börse nur noch wenig mehr als eine Milliarde Euro wert - und damit weit weniger als KKR und Permira Ende 2006 ausgegeben hatten. Damals zahlten sie an Haim Saban und seine Partner mehr als drei Milliarden Euro. Doch inzwischen ist davon nicht mehr viel übrig. Allein am Freitag ging der Wert von Pro Sieben Sat 1 an der Börse um zwischenzeitlich rund 800 Millionen Euro nach unten - da dürften auch abgebrühte Finanzinvestoren langsam nervös werden, zumal diese von der weltweiten Finanzkrise gebeutelt sind.

Bis zur nächsten Überraschung

Eine schnelle Besserung im Fernsehgeschäft ist nicht in Sicht, zumal ein möglicher Konjunkturabschwung in Deutschland die Stimmung noch mal drücken würde. Der Fernsehkonzern ist seit dem Kauf der europaweiten TV-Gruppe SBS noch mit mehr als drei Milliarden Euro verschuldet. Ein Verkauf von Pro Sieben Sat 1 ist für KKR und Permira also in weiter Ferne. Deshalb sicherten sich KKR und Permira trotz der schlechten Geschäftsentwicklung wenigstens eine deutlich höhere Dividende: Für 2007 soll an die Aktionäre dreimal so viel ausgeschüttet werden wie der Konzern verdient hat - ein massiver Griff in die Rücklagen. Permira-Manager Götz Mäuser, Chef des Pro-Sieben-Sat 1-Aufsichtsrats, hatte dies zuletzt mit "Dividendenkontinuität" begründet.

Möglicherweise kommt jetzt doch noch ein Plan auf den Tisch, den ein Münchner Konkurrent forciert, meinen zumindest manche in der Branche - nämlich der Verkauf des Berliner Privatsenders Sat 1. Premiere-Chef Michael Börnicke hatte zuletzt öffentlich Interesse daran gezeigt, er hofft auf gute Geschäfte, wenn sich Pay-TV und frei empfangbares Fernsehen zusammentun. So könnte dort beispielsweise die Fußball-Bundesliga gemeinsam verwertet werden.

Zudem hat Börnicke in Rupert Murdoch und dessen News Corp einen starken Aktionär als finanzkräftigen Partner, der für große und riskante Übernahmen bekannt ist. Doch de Posch dementiert auch am Freitag alle Verkaufsgerüchte. Der Konzern führe keine Gespräche, und die Eigentümer änderten ihre Meinung in den nächsten zwölf Monaten nicht, sagte er. Das gilt erstmal - bis zur nächsten Überraschung.

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