Krimiautor Jörg Maurer:"Von den Guten muss bald mal einer sterben"

Jörg Maurer, Autor

Erst vor fünf Jahren ist Jörg Maurer in die Heimat seiner Jugend zurückgezogen.

(Foto: privat)

Für düstere Themen hat Jörg Maurer ein Faible, ebenso für das oberbayerisch Schnörkelhafte. Zum Realismus pflegt der Bestseller-Autor aus Garmisch dagegen eine lockere Beziehung.

Von Oliver Hochkeppel

Wer mit Jörg Maurer durch Garmisch spaziert, merkt schnell, dass dieser hier stark verwurzelt ist. Direkt am Mohrenplatz, gegenüber der Pfarrkirche St. Martin, in einem Haus, das heute nicht mehr steht, wohnten Maurers Großeltern. Bei denen war er oft. Beinhart religiös waren diese aber nicht. So sagten sie dem kleinen Jörg immer sonntags: "Gehst' halt rüber in den Gottesdienst. Bis zur Wandlung bleibst', dann kommst' wieder." Auch an die in die Mauer eingelassenen Beichtstühle in St. Martin hat Maurer Erinnerungen. Und am Marienplatz beugt er sich wie früher horchend über den Gullideckel: Hatte ihm doch sein Vater, ein Buchhalter bei der Zugspitzbahn, einst von dämonischen Vorgängen in der Unterwelt zugeraunt. Neben dem Kurhaus schließlich steht ein Lebensbaum, den sein Großvater am Tag seiner Geburt gepflanzt hat.

Ist also alles klar? Siedelt der Garmischer Krimiautor Jörg Maurer also die Geschichten seines Kommissars Jennerwein rund um selbst Erlebtes in seiner Heimatstadt Garmisch an, wie es manche Kritiker geschrieben haben? So einfach ist die Sache nicht. Denn in Maurers inzwischen acht Büchern kommt der Name Garmisch-Partenkirchen gar nicht vor. Es ist immer nur von "dem Kurort" die Rede. "Das Wesentliche an Garmisch ist der Kurort-Status", erzählt Maurer, "hier war es immer schon multikulti.

Und diese Thematik und Problematik, dass ich Leute mit der wunderbaren Landschaft und Tradition anlocke, die diese dann zugleich erhalten und zerstören, gibt es an der ganzen Alpenkette. Schon da wollte ich mich nicht auf einen konkreten Ort festnageln lassen. Wenn ein bestimmter Berg wie die Zugspitze bei mir vorkommt, dann gibt es den auch. Aber dass man eine bestimmte Straße wiederfinden kann, das würde mir meine erzählerische Freiheit zu stark eingrenzen."

Autor mit humoristischer und satirischer Ader

Wie das Verhältnis reales Vorbild und Fiktion bei Maurer funktioniert, illustriert ganz gut der Ausgangspunkt seines ersten Romans "Föhnlage". Während eines Konzertes stürzt ein Mann von der Decke des Kongresssaales. "Ich war als Kind oft bei Turnerbällen und Konzerten im alten Kongresshaus. Bei den nachgebenden Brettern in der Mitte der Decke konnte man sich einiges vorstellen," erzählt Maurer. "Das war also die Schlüsselidee, mit der ich auch zum Verlag gegangen bin. Nur: Das alte Kongresshaus steht schon lange nicht mehr, sie haben vor ein paar Jahren ein neues gebaut, bei dem es witzigerweise Ärger mit dem Dach gab."

Die Loslösung vom realen Garmisch entspricht auch Maurers Lebenslauf. Denn mit dem Krimi-Schreiben hat Maurer in München begonnen. Dort, in der Großstadt, lebte er vom 19. Lebensjahr an. Erst ging er zum Studium dorthin, dann blieb er als Gymnasiallehrer, aus dem schließlich der Musikkabarettist und der Schwabinger Theaterbetreiber ("Jörg Maurers Unterton") wurde. "Ich war immer schon ein begeisterter Job-Hopper und habe alles Mögliche gemacht."

Erst vor fünf Jahren ist er in die Heimat seiner Jugend zurückgezogen: "Vom Elternhaus trennt man sich nicht so leicht, das galt es jetzt zu bewahren." Direkt an der Loisach am Ortsende wohnt er jetzt, zum Grundstück gehört ein großer Hang mit Aussichtsstand, von dem aus es weiter zum Kramerberg hochgeht. Manchmal schreibt er jetzt dort.

Bei Maurer kommen die Bösen davon

Die lockere Beziehung zum Realismus pflegt Maurer auch deshalb, weil ihn wie schon auf der Bühne so auch als Autor eine humoristische und satirische Ader auszeichnet. Mit schwarzer Färbung freilich: "Ich hatte immer schon ein Faible für die Themen Tod und Verzweiflung, Mord und Totschlag", sagt er mit einem süffisanten Lächeln.

Frühe künstlerische Vorbilder waren die bösen Wiener wie Georg Kreisler und Helmut Qualtinger, aber auch Krimiautoren wie Patricia Highsmith. Schon seine Programme waren bildungsbürgerliche Wundertüten, in denen neben der Musik Geschichten und Geschichte ebenso wie Wissenschaft und Kunst - Maurer malt auch selbst - eine große Rolle spielten. Insbesondere Literatur, studierte Maurer im Hauptfach Germanistik und Anglistik.

Heute bündelt Maurer all diese Interessen in seinen verschraubten und abschweifenden Krimis. "Das gehört für mich zum oberbayerischen Menschenschlag, wenn es den noch geben sollte: Nicht dass er schuhplattelt oder rosig im Gesicht ist, sondern dass er theatralisch und barock im Sinn von Abschweifungen ist. Nirgendwo sonst gibt es so viele Bauerntheater oder Kabarettgruppen. So rechtfertige ich meinen Stil: Der Oberbayer ist schnörkelhaft, da müssen dann auch Schnörkel sein. Ein George Simenon mit seinen kurzen Sätzen oder ein amerikanischer Hard-Boiled-Autor würden nicht hierher passen."

Bei seinen Werken hat er die Arbeitsmethode perfektioniert: "Ich fange immer mit dem Kriminalfall an. Das heißt, ich brauche zuerst den Schluss, die Lösung. Dann schaue ich, dass ich eine Handlung dazu flechte, damit es geschickt zum Ende kommt. Und dazwischen lasse ich mich treiben." Dazu kommt, dass er seinen Figurenpark rund um den Kommissar Jennerwein pflegen muss, von den Kollegen Ostler oder Hölleisen bis zum Bestatterehepaar Grasegger.

"Von den Guten muss bald mal einer sterben", kündigt Maurer an. "Sonst wird es zu statisch, und der Leser verlässt sich zu sehr darauf, dass alles immer gut ausgeht." Er hätte zunächst einen Anfängerfehler gemacht, berichtet er schelmisch: "Normalerweise entsorgt man die Bösen. Bei mir sind Figuren wie der österreichische Kriminelle Swoboda oder der Mafioso Spalanzani aber davon gekommen.

Und jetzt verlangt der Leser nach ihnen. Wobei ich natürlich sehr gerne nachgebe, obwohl es gar nicht so einfach ist, die alle immer wieder einzubauen. Vielleicht kriegen sie demnächst mal ein eigenes Buch." Das darf dann auch ganz weit weg von Garmisch angesiedelt sein.

Zur Person

1953 in Garmisch-Partenkirchen geboren und dort aufgewachsen, studierte Jörg Maurer in München Germanistik, Anglistik, Theaterwissenschaft und Philosophie. Nach ein paar Jahren als Deutsch- und Englischlehrer am Münchner Wilhelmsgymnasium machte er seine Leidenschaft für das literarische Musikkabarett zum Beruf. Für seine bildungssüchtigen Programme wie "Der Satz im Silbensee" oder "Beethovens kleine Patzer" bekam Maurer unter anderem den Kabarettpreis der Landeshauptstadt München. Von 1994 an führte er in Schwabing auch seine eigene Bühne, das "Unterton". Als er es 2009 abgab, erschien sein erster Alpenkrimi, "Föhnlage", der sofort ein Bestseller wurde. Sieben weitere mit dem Kommissar Jennerwein sind bislang - als Buch wie von ihm selbst gelesenes Hörbuch - in Millionenauflage erschienen und mit zahlreichen Literaturpreisen bedacht worden.

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