Kriminalroman über Jörg Haider:Tod im Gartenzaun

Roman über Jörg Haider

Ausschnitt vom Cover des Krimis "Der Tod des Landeshauptmanns"

(Foto: K&S Verlag)

Der spektakuläre Unfall-Tod Jörg Haiders wird auch fünf Jahre nach dem Ableben des Kärntner Rechtspopulisten von Verschwörungstheorien umrankt. Drei davon hat der ORF-Journalist Eugen Freund nun in einem Krimi verarbeitet, der einen gruseligen Charme entfaltet. Denn an der Geschichte könnte fürchterlich viel wahr sein.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Der Tod des Landeshauptmanns jährt sich am 11. Oktober zum fünften Mal, aber Jörg Haider ist so lebendig wie je. Gerade mal zwei Wochen ist es her, dass die FPÖ, seine FPÖ, in der Nationalratswahl locker die 20-Prozent-Marke übersprang.

Haiders Nachfolger, der ob des Wahlerfolgs euphorisierte Heinz-Christian Strache, wird daher überall mit seinem großen Vorbild verglichen, um auszuloten, ob die rechtspopulistische Seele des Landes Österreich in den vergangenen Jahren mit neuem Größenwahn - oder aber mit alter Demut vor dem Übervater der Bewegung - gepflegt worden ist.

In einer brillanten Vergleichsanalyse der beiden Männer berichten etwa Profil-Journalisten, wie Strache als junger Mann auf der Suche nach einem Ersatzpapa dem charismatischen Kärntner Parteichef Briefe schrieb, die zwischen peinlicher Jugendschwärmerei und glühender Unterwerfung changierten.

Strache sei die weniger eloquente, die weniger intelligente, die weniger genialische Ausformung des Jörg Haider, heißt es in Österreichs Medien nach der Wahl vom 29. September 2013, und der überlebensgroße, bis heute von Freund und Feind für seinen Charme, seine Chuzpe, seine Verführungskraft verehrte Populist Haider schwebt noch immer über der Freiheitlichen Partei wie ein Geist, der nie vergeht.

Gut, dass zu einem solchen Zeitpunkt ein Buch erscheint, das genau diesen Tod, aber vor allem dieses Leben ins Visier nimmt. Der ORF-Journalist Eugen Freund, Ex-USA-Korrespondent des Senders und heute Moderator der Nachrichtensendung "ZiB1", hat sich an einen Krimi gewagt, der den Tod des Landeshauptmanns zum Thema hat - aber vor allem sein seltsam undurchsichtiges, wuchtiges Leben.

90 Prozent Fiktion

90 Prozent seien erfunden, wird Freund nicht müde zu betonen, nur 10 Prozent seines Kriminalromans seien historisch belegt, und er habe auch nicht alle Verschwörungstheorien über den Unfalltod Haiders gelesen, bevor er zu schreiben begann, aber: Im Roman gibt es sogar drei Theorien, wie dieser vor fünf Jahren das Zeitliche segnete.

Der Jurist Stefan Stragger, ein Mitarbeiter des Heeresnachrichtenamts, verschwindet spurlos, seine Ex-Freundin und Journalistin, Jasmin Köpperl, macht sich auf die Suche nach ihm. Sie ahnt schnell, dass er nicht tot ist, bekommt sie doch regelmäßig seitenlange Mails von ihm, die sich bereits wie lange Versatzstücke eines Romans lesen. Nur: Warum versteckt sich der Spion, und vor wem? Und was will er in seinen - im Buch kursiv gesetzten - Interventionen erzählen?

Da geht es zum einen um den amerikanischen FBI-Agenten David Krimnick, dessen österreichische Wurzeln und sein Widerwillen gegen jede Form von Antisemitismus ihn empfänglich machen für die Idee, dass Haider weg muss.

Alle sind hinter Haider her

Da ist der Mossad in Jerusalem; unter anderem die Nachkömmlinge emigrierter Wiener Juden befassen sich hier mit dem Volksverführer, der die Beschäftigungspolitik Hitlers gelobt hatte und arabische Potentaten umwirbt. Auch sie denken: Wehret den Anfängen, der Mann muss weg.

Und da sind zwei kroatische Agenten, die sich auf Haider einschießen - mitten in einem Krieg um Bestechung und korrupte Manager einer Bank, die nicht von ungefähr an die mittlerweile notverstaatlichte Hypo Alpe Adria Bank erinnert.

Sie alle sind hinter Haider her. Wird einer von ihnen der Erste sein, oder rast der volltrunkene Politiker tatsächlich in der Nacht zum 11. Oktober 2008 aus eigener Schuld und Hybris in einen Gartenzaun? Taucht Stragger wieder auf, oder sind seine Mails vielleicht doch eine Hinterlassenschaft aus dem Off?

Roman über Jörg Haider

Autor und ORF-Journalist Eugen Freund

(Foto: Manfred Weis)

Eugen Freunds Roman ist keine einfache Lektüre. Die verschachtelte Handlung klappert bisweilen ein wenig, weil die Konstruktion der Geschichte so komplex ist, dass sie sich nicht immer süffig erzählen lässt. Anderseits hat der Journalist, der bisher nur Sachbücher verfasst hat (was man diesem Text bisweilen anmerkt), immer wieder großartige Suspense-Szenen eingebaut, und es fehlt auch nicht an drastischer Action.

Letztlich aber verleihen vor allem die spielerische Nähe zur Realität und der Verdacht, dass an dieser Geschichte vieles fürchterlich wahr ist, dem Krimi des ORF-Mannes seinen gruseligen Charme.

So einer ist unsterblich, glauben viele

Als der echte Haider starb, stammelte sein Freund und Kofferträger Stefan Petzner, sein "Lebensmensch" sei gestorben; Petzners Karriere endete erst vor wenigen Tagen - vorläufig - mit dem Ausschluss aus der zweiten Haider-Partei, dem BZÖ.

Zeitgleich sagte sein späterer Nachfolger als Landeshauptmann von Kärnten, Gerhard Dörfler, fassungslos, die Sonne sei "vom Himmel gefallen". Dörfler, dem die Arroganz der Macht so anhaftete wie manchen Menschen ein schlechter Geruch, ließ sich nach dem Niedergang der Haider-FPÖ in Kärnten und dem Verlust seines Amtes mit einem Sitz im Bundesrat versorgen.

Man könnte vermuten, dass Petzner, Dörfler und andere deutschnationale Profiteure der glamourösen Haider-Zeit darauf setzen, dass ihr Idol in ihnen weiterlebt. Einer wie der Jörg, das glauben in Kärnten nicht wenige, der ist unsterblich. Mit dem "Tod des Landeshauptmanns" beweist Eugen Freund das Gegenteil. Und man ist froh darüber.

Eugen Freund: Der Tod des Landeshauptmanns. K&S Verlag, Wien 2013. 187 Seiten, 22 Euro.

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