"Kriegerin" im Kino:Authentizität im Nahkampf

Schweißtreibender Sex und brutale Prügelszenen: David Wnendts Neonazi-Film "Kriegerin" setzt eher auf "Action" als auf die Erklärung der Hintergründe von rechtsextremer Gewalt. Jenseits des Gewalttaumels wirkt die Handlung mühsam herbeikonstruiert.

Rainer Gansera

Die Kamera ist immer hautnah dabei: beim schweißtreibenden Sex, bei brutalen Prügelszenen, bei wüsten Party-Orgien. Regisseur David Wnendt, Absolvent der Potsdamer Filmhochschule, jagt seine beiden jungen Heldinnen, Marisa und Svenja (Alina Levshin, Jella Haase), durch ein wild bewegtes Szenario und findet dabei durchaus einige Momente eindrucksvoller darstellerischer Intensität. Auch hat er den Trick heraus, seinen Nahkampfstil als Ausweis des Authentischen erscheinen zu lassen.

Kinostarts - 'Kriegerin'

Der 20-jährigen Marisa (Alina Levshin) wird in David Wnendts "Die Kriegerin" eine hilflose alleinerziehende Mutter und ein Altnazi-Großvater zum Verhängnis - sie schließt sich einer brutalen Nazi-Clique an.

(Foto: dpa / Alexander Janetzko)

Authentisch für die Zeichnung der rechtsradikalen Subkultur in einer ostdeutschen Kleinstadt. Der Sex findet unter einer großen Hakenkreuzflagge statt, brutal verprügelt werden gleich zu Beginn vietnamesische Zugfahrgäste von einer Neonazi-Clique, und deren Partys erscheinen wie Initiationsriten in eine höllische Skinhead-Religion aus Hass, Gewalt und Vulgarität.

Bei so viel Gewalttaumel und Rausch entsteht dann doch recht schnell der Wunsch, etwas über die näheren Zusammenhänge der Dinge zu erfahren. Wie funktionieren die Neonazi-Strukturen am Ort, personell und ideologisch? Wie kann es sein, dass ein 15-jähriges Mädchen - Einserschülerin und einem bürgerlichen Milieu entstammend - plötzlich Hass-Punk "geil" findet?

Der 15-jährigen Svenja wird ein supersadistischer Stiefvater irgendwie zum "Nazibraut"-Verhängnis, der 20-jährigen Marisa eine hilflose alleinerziehende Mutter und ein Altnazi-Großvater.

All das erscheint mühsam herbeikonstruiert. Mit ernsthaften Versuchen, in gesellschaftliche und biographische Tiefenstrukturen einzudringen, hält sich Wnendt nicht auf. Er fügt sich in eine Machart, die derzeit auch bei zahlreichen TV-Krimis zu beobachten ist, suhlt sich endlos in Phänomenologien aufgequirlter Aktion und Melodramatik. Eine Darstellungsform, die am Faszinosum der Überwältigung kleben bleibt.

Doch ein mitfühlendes Herz

Natürlich hegt David Wnendt die besten, politisch korrekten Absichten. Also wird Marisa ein "Bekehrungs"-Schicksal verordnet: in der Begegnung mit einem Asylbewerber afghanischer Herkunft kann sie sich zur Nachdenklichen wandeln und offenbaren, dass doch ein mitfühlendes Herz in ihr pocht.

"Kriegerin" wurde mit vielen Preisen ausgezeichnet. Begründung: Der Film packe ein Thema an, vor dem die Gesellschaft gemeinhin die Augen verschließe. Aber: Was nützt es, die Augen zu öffnen, um ein wenig Action-Melo-Juckpulver hineinzustreuen?

KRIEGERIN, D 2011 - Regie, Buch: David Wnendt. Kamera: Jonas Schmager. Mit: Alina Levshin, Jella Haase, Sayed Ahmad Wasil Mrowat, Gerdy Zint, Lukas Steltner. Ascot Elite, 103 Minuten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: