Kreuz-Erlass:Der Schaden ist angerichtet, die Verwirrung groß

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Ab diesem Freitag gilt in Bayern der Kreuz-Erlass von Ministerpräsident Markus Söder. (Foto: dpa)

Von diesem Freitag an gilt für Bayerns Behörden der Kreuz-Erlass. Auch für den Kunst- und Kulturbetrieb? Wie Museen, Theater und Hochschulen mit dem neuen Paragrafen umgehen.

Der Wortlaut des Erlasses ist von trügerischer Einfachheit: "Im Eingangsbereich eines jeden Dienstgebäudes ist als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns gut sichtbar ein Kreuz anzubringen." So bestimmte es Ministerpräsident Markus Söder, so soll der Paragraf 28 der Geschäftsordnung für bayerische Behörden am Freitag in Kraft treten: Für Gerichte und Finanzämter, aber auch für Hochschulen, Museen und Archive. Im Ernst? Ein Kreuz im Eingang einer Archäologischen Sammlung als Ausdruck der "geschichtlichen Prägung"? Diese Vorstellung hatte Widerstand hervorgerufen, das Neue Museum in Nürnberg will auf keinen Fall ein Kreuz aufhängen (SZ vom 24. Mai). Inzwischen klingt das Wissenschaftsministerium deutlich konzilianter: Für Hochschulen, Theater und Museen sei die Präsentation eines Kreuzes nur eine "Empfehlung", sagt Mira Barthelmann, Sprecherin des bayerischen Wissenschaftsministeriums. "Damit kann der Kultur- und Kunstbetrieb in seiner Freiheit, die wir ja so lieben, sicher gut leben."

Indes, der Schaden ist angerichtet, die Verwirrung groß, das zeigt diese Umfrage. Welche Institution muss das Kreuz zeigen, welche will es sogar? Welche weigert sich, und was heißt das? Stoff für Debatten - über den Eingangsbereich hinaus.

Peter Schnitzlein, Sprecher der Bayerischen Staatsbibliothek, München:

Wir haben bereits ein Kreuz aufgehängt, und zwar im Bereich der Ortsleihe. Das ist für die meisten Besucher des Hauses die erste Anlaufstelle. Es handelt sich um ein 35 Zentimeter großes, schlichtes, mattiertes Stahlkreuz ohne Korpus. Wir haben es für 59 Euro bei Schreibmayr in der Implerstraße gekauft, einem Münchner Fachgeschäft für Kirchenbedarf.

Ob das Kreuz mit den Werten, für die unsere Institution steht, vereinbar ist, wollen wir nicht kommentieren. Die Staatsbibliothek ist eine Behörde des Freistaats Bayern, für die gilt der Erlass, und entsprechend setzen wir den um.

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Barbara Eikelmann, Generaldirektorin des Bayerischen Nationalmuseums, München:

Soweit wir gehört haben, liegt es im Ermessen der Museen, ob im Eingangsbereich ein Kreuz aufgehängt wird. Im Bayerischen Nationalmuseum gibt es die besondere Situation, dass bereits im ersten Saal der Ausstellungsräume diverse äußerst qualitätvolle Kruzifixe zu sehen sind. Weitere Beispiele - quer durch die Jahrhunderte - befinden sich in den anderen Teilen der Sammlungen. Wir sehen deshalb keine Notwendigkeit, ein weiteres Kruzifix im Eingangsbereich anzubringen.

Karl Freller, Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten:

Wir haben in beiden Gedenkstätten kirchliche Einrichtungen. Als die KZ-Gedenkstätte Dachau gegründet wurde, haben die Kirchen sehr viel beigetragen. Und deswegen haben wir auf unserem Gelände ein katholisches Kloster, die evangelische Versöhnungskirche und eine griechisch-orthodoxe Kirche. In der Mitte der Gedenkstätte befindet sich ein großes Kreuz. Da gibt es bei uns kein Defizit in diesem Sinne. Und eine jüdische Gedenkstätte haben wir auch.

Bernhard Maaz, Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, München:

Museen haben einen Bildungsauftrag und also auch die Aufgabe, über die Grenzen von Nationalitäten, Sprachen, Generationen und Konfessionen hinweg Nachdenken, Toleranz und Austausch zu befördern; und deshalb hängen bei uns für alle sichtbar zahlreiche christliche Symbole wie etwa das Kreuz, nicht aber im "Backstage-Bereich", sondern für alle und jeden sichtbar in den Museumsräumen, und daran halten wir fest.

Michael Krüger, Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, München:

In unserer Akademie wird kein Kreuz aufgehängt, bei uns darf jeder nach seiner Fasson glücklich werden.

Wir haben nichts gegen Kreuze welcher Art auch immer, nur sollten sie dort hängen, wo sie hingehören: in der Kirche.

Kunst und Wissenschaft sind ohnedies nicht mehr ganz frei, also sollte man ihren geringen Freiraum nicht noch durch törichte Kreuzaufhängungen beschneiden.

Peter Ochs, Kanzler der Akademie der Bildenden Künste, Nürnberg:

Wir sind ja korrekte Beamte, und weil der Kreuz-Stichtag, der 1. Juni, erst am Freitag ist, hilft uns das zur Not jetzt erst mal weiter. Momentan hängt noch nichts, wenn wir dazu gedrängt werden würden, würde sich schon eine Lösung finden. Wir fänden das aber sehr unglücklich. Wir sind eine Kunsthochschule, wir stehen für eine demokratische und weltoffene Einstellung und gegen religiöse Vereinnahmung. Unser gesamter Campus, inklusive Eingangsbereich, ist Ausstellungsbereich. Da wäre ein Kreuz schon komisch. Wir sind ja kein Landratsamt. Im Übrigen verhalten wir uns nach dem Motto: Gehe nie zum Fürst, wenn du nicht gerufen wirst. Wir interpretieren den Erlass also vorläufig so, dass er uns nicht betrifft.

Dorothee Schäfer, Sprecherin des Museums Fünf Kontinente, München:

Wir sind ein Museum, keine Behörde, deswegen sehen wir uns nicht verpflichtet, das Kreuz aufzuhängen. Natürlich widerspricht der Erlass dem Geist unseres Hauses. Die Kulturen und Religionen, die bei uns vertreten sind, stehen gleichberechtigt nebeneinander. Wir wollen keine favorisieren. Wobei wir das fast ein bisschen tun: In unserem Treppenhaus steht seit dem Jahr 1926 ein Buddha und begrüßt die Besucher.

Pressestelle der Hochschule für Fernsehen und Film München (HFF):

Nach unserem Kenntnisstand ist der Erlass keine rechtliche Verpflichtung, sondern eine Empfehlung. Aber das Thema steht natürlich auf unserer Agenda. Unsere Präsidentin Bettina Reitz ist derzeit noch im Urlaub, aber am 11. Juni haben wir dazu eine Sitzung, in der wir uns in einem ersten Schritt mit dieser Frage befassen werden und in der alle Hochschulbeteiligten gehört werden, auch die Studentenvertretung.

Andrea Lorentzen, Sprecherin der Archäologischen Staatssammlung, München:

Wir stöhnen erst mal. Zum 1. Juni ist es wohl Vorschrift - oder: Was heißt Vorschrift? Wir wissen noch nicht genau, wie wir das handhaben. Wenn wir es aufhängen, dann in den Eingangsbereich. Aber unser Haus wird ja gerade saniert, wir sind für das Publikum geschlossen, die Verwaltung ist für drei Jahre in einem Ausweichquartier untergebracht. Wir könnten natürlich aus unserem Depot prähistorische oder historische Kreuze aufhängen, aber wie gesagt, wir haben noch nicht darüber gesprochen, ob und was wir aufhängen. Natürlich widerspricht das Kreuz dem, wofür wir stehen. Aber das beantworten ja sicher alle ähnlich.

Peter Fleischmann, Direktor des Staatsarchivs, Nürnberg:

Wir hängen natürlich ein Kreuz auf. Ich habe damit keine Probleme, immerhin haben wir hier Urkunden aus dem 9. und 10. Jahrhundert, diese Zeit ist ohne christliches Vorzeichen nicht zu verstehen. Der Lebenslauf des Menschen bis ins 19. Jahrhundert war christlich geprägt, das Kreuz ist bei uns auch als historisches Zitat zu verstehen. Wir werden es auf dem Flur aufhängen, in Richtung Osten ausgerichtet. Wir nehmen es aus dem Fundus: Ein Mitarbeiter hat freundlicherweise ein schönes altes Kreuz zur Verfügung gestellt.

Angelika Nollert, Direktorin der Neuen Sammlung, München:

Ich persönlich halte nichts davon, religiöse Symbole zu verordnen. Darüber hinaus sehe ich zurzeit keinen Handlungsbedarf.

Claudia Blank, Leiterin des Deutschen Theatermuseums, München:

Wir warten erst mal ab, wie die genauen Ausführungsbestimmungen sind. Wir sind eine "nachgeordnete Dienststelle", insofern ist es fraglich, ob das Theatermuseum in dem Sinne überhaupt ein "Dienstgebäude" ist. Ich sehe das noch nicht geklärt. Wenn wir tatsächlich dazu verpflichtet sind, ein Kreuz aufzuhängen, dann werden wir das irgendwo im Foyer tun. Aber das wird dann bestimmt kein dreidimensionales Kreuz sein. Das kann ja auch ein Plakat aus einem theatralen Zusammenhang sein, eine großformatige Fotografie, die mehrfach interpretierbar ist. Theater ist für alle Fragen des Denkens und der Moral offen, und so muss auch unser Haus sein.

Karl Borromäus Murr, Direktor des Staatlichen Textil- und Industriemuseums, Augsburg:

Wir warten auf genaue Angaben des Ministeriums. Was bedeutet etwa "Eingangsbereich"? Über die Art des Kreuzes haben wir uns noch keine Gedanken gemacht, aber wir werden sicher keinen barocken, blutüberströmten Christus aufhängen. Als Philosoph und Jesuitenschüler sage ich mal: Es gibt auch Kreuze, die zum Nachdenken anregen. Wir sind kein herkömmliches Museum mit Exponaten in Vitrinen. Augsburg ist die Stadt mit dem dritthöchsten Migrantenanteil in Deutschland. Wie öffnen wir unser Haus diesen Menschen unterschiedlichster Religion und Herkunft? Das ist die Herausforderung.

Thomas Höllmann, Präsident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, München:

Schön, von Ihnen zu hören. Da die Bayerische Akademie der Wissenschaften laut Satzung eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, treffen Ihre Fragen auf uns aber nicht zu.

Bayerische Akademie der Bildenden Künste, München:

Wir gehen im Moment davon aus, dass wir nicht betroffen sind. Vom Ministerium haben wir bisher noch keine klare, schriftliche Aussage, aber derzeit gehen die Signale in diese Richtung. Offenbar gibt es im Ministerium noch Klärungsbedarf. Wir werden kein Kreuz aufhängen, wenn wir es nicht müssen.

Pressestelle der Ludwig-Maximilians-Universität, München:

Obwohl wir bislang keine Ausführungsbestimmungen erhalten haben, gehen wir trotz der unklaren Lage derzeit weiterhin davon aus, dass es zur Kreuz-Verordnung eine Information aus dem Ministerium geben wird. Wann die Ausführungsbestimmungen eintreffen, können wir Ihnen leider nicht sagen. Diese warten wir ab. Wir haben bisher noch keine Vorkehrungen zum Aufhängen eines Kreuzes getroffen.

Pressestelle des Filmfestes München:

Wir sind eine GmbH und der Freistaat Bayern lediglich unser Gesellschafter. In diesem Sinne sind wir keine Behörde. Deshalb haben wir uns mit dieser Frage gar nicht auseinandergesetzt.

Zusammengestellt von: Christine Dössel, Jörg Häntzschel, Catrin Lorch, Olaf Przybilla, Johan Schloemann, David Steinitz

© SZ vom 30.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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