Korrespondenten-Kolumne:Der große Traum des Said Abu Shakra

Schauplatz Umm al-Fahm: Ein Galerist setzt in einer arabischen Stadt Zeichen. Er stellt Kunst zum Klima aus - ziemlich einmalig in Israel.

Von Alexandra Föderl-Schmid

Das Gebäude ist auffällig und schon von weitem zu sehen: Auf einem Hügel der Stadt steht das durch Betonanbauten ergänzte Steinhaus, um das sich ein rotes Band windet. Im Inneren sind auf drei Etagen und 1200 Quadratmetern Kunstwerke ausgestellt. Diese Galerie würde in einer Metropole wie Tel Aviv nicht auffallen, in Umm al-Fahm, mit 55 000 Einwohnern eine der größten Städte mit arabischer Bevölkerung in Israel, wirkt dieses Zentrum für zeitgenössische Kunst wie ein Fremdkörper - dabei soll es genau das nicht sein.

Als Said Abu Shakra diese Galerie 1996 gründete, war es die erste Kunstgalerie in einem vor allem von arabischen Israelis bewohnten Ort. Er wollte seine Liebe zu Kunst mit anderen teilen und einen Schauraum zur Darstellung palästinensischer Kultur ebenso schaffen wie Zonen für Begegnungen zwischen Israelis und Palästinensern. Das ist ihm in den mehr als zwei Jahrzehnten gelungen. Er organisierte Ausstellungen und Symposien, deren Wirkung weit über die Stadt hinausreichen.

Das rote Band auf den Außenmauern, das eigens angebrachte Zweige und Bäume umfasst, gehört zu einer Installation des israelischen Künstlers Doron Gazit. Er will mit dieser "roten Linie" auf die Auswirkungen der globalen Erwärmung aufmerksam machen und zeigen, dass rote Linien überschritten sind. Der Israeli thematisiert etwas, was in seiner Heimat bisher keine große Rolle spielt: den Klimawandel.

Es braucht viel Mut - der Ort ist als Zentrum von Islamisten bekannt

Im Innern der Galerie sind derzeit vor allem Fotoausstellungen zu sehen wie jene von Walid Abu Shakra, dem in London lebenden Künstler und Bruder des Museumsgründers, der im Vorjahr gestorben ist. Seine Arbeiten fangen sensibel Veränderungsprozesse in seiner Heimat ein und zeigen, wie Bauprojekte die Landschaft zurückdrängen.

Erst auf den zweiten Blick wird ersichtlich, dass alle Arbeiten in dieser Galerie auf unterschiedliche Weise mit dem Thema Umwelt zu tun haben. Das gilt auch für Skulpturen der israelischen Künstlerin Lobna Awidat, die für Irritationen sorgen. Sie baut Äpfel in ihre Werke aus Holz ein. Mit Holz und Zement hat der arabische Israeli Mahmud Kaiss früher auch gearbeitet, nun sind erstmals seine aus Resten alter Motorrad-Teile entstandenen künstlerischen Installationen zu sehen. Auch diese Arbeit kann als Kritik an der Wegwerfgesellschaft gesehen werden - in der Schrott eine neue Bestimmung bekommt.

Die sehr unterschiedlichen Zugänge sind inspirierend, oft verwirrend und manchmal provozierend für die lokale Bevölkerung. Auf jeden Fall eröffnen sie neue Perspektiven auf moderne Kunst auch von Palästinensern in Israel. Es braucht Engagement und Mut, an einem Ort wie Umm al-Fahm, der auch als Zentrum von Islamisten bekannt ist, eine solche Begegnungsstätte zu betreiben. Seinen Traum, dass aus der Galerie einmal das erste Museum für zeitgenössische arabische Kunst in Israel wird, hat Said Abu Shakra noch nicht aufgegeben. Weil es kein Geld für den Bau eines eigenen Museums gibt, kämpft er, dass seine Galerie als Museum anerkannt wird.

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