Konzertsaal-Debatte:München braucht ein Konzerthaus, keinen Prunkbau

Gasteig, München

Der Saalbedarf in München ist groß - zu viele gute Orchester müssen sich den wenigen Platz teilen.

(Foto: imago stock&people)

Dass München kein neues Konzerthaus bekommt, liegt auch am schlechten Image der Klassik. Sie gilt als Privatvergnügen einer gehobenen Gesellschaftsschicht. Gegen diesen Eindruck tut die Szene zu wenig.

Ein Kommentar von Reinhard J. Brembeck

Brauchen Städte heute noch neue kulturelle Wahrzeichen? Wer zwei Stunden lang die durchwegs vernünftigen Argumente der Befürworter eines neuen Münchner Konzertsaals bei der Pressekonferenz des Bayerischen Rundfunks (BR) gehört hat, kann sich am Ende gar nicht mehr erklären, warum dieser nicht gebaut werden soll. Wobei der Saalbedarf in der Stadt sogar noch größer ist, als hier anklingt. Allein der BR braucht eine Heimat für seine in der Stadt herumirrenden Ensembles (zwei Orchester, ein Chor).

Dringend müssten darüberhinaus auch untergebracht werden: das Kammerorchester, die Hofkapelle, die Münchner Symphoniker. Allein schon deren Bedarf läuft nicht auf einen neuen Saal, sondern auf ein ganzes Konzerthaus mit Proben-, Kammermusik- und Konzertsaal hinaus. Auch die hiesigen Konzertveranstalter würden gern noch mehr Ensembles und Solisten in die Stadt bringen als bisher. Aber die drei größeren Klassikkonzertsäle in Gasteig, Residenz und Prinzregententheater sind längst bis an ihre Kapazitätsgrenzen ausgelastet. München ist eben eine boomende Klassikmetropole.

Warum also wird dieses so dringend benötigte Konzerthaus dann nicht gebaut? Dafür gibt es viele Gründe - man sollte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer und Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter nicht einfach Ignoranz oder Hochkulturferne unterstellen. Weltweit ist zu beobachten, dass solche Leuchtturmprojekte als Mittel der Stadtplanung und des Imagegewinns aus der Mode kommen, auch weil solche Projekte, siehe Bilbao oder Valencia, keineswegs die an sie gestellten Erwartungen erfüllt haben. Auch produzieren die sich verschärfenden sozialen Spannungen Herausforderungen, denen mit Museum und Konzertsaal nicht zu begegnen ist.

Bedeutungsverlust von klassischer Musik schreitet voran

Obwohl immer mehr Menschen Klassik hören, schreitet der Bedeutungsverlust von klassischer Musik voran. Sie ist nicht mehr unveräußerlicher Lebensmittelpunkt einer gesellschaftlich relevanten Schicht, sondern zum Leidwesen vieler ihrer Anhänger nur mehr ein Unterhaltungssektor neben anderen. Zudem fallen viele Klassikinstitutionen vor allem durch als arrogant empfundene Forderungen nach öffentlichen Zuschüssen auf.

Klassik gilt, gegen diesen Eindruck tut die Szene viel zu wenig, oft als das Privatvergnügen einer gehobenen Gesellschaftsschicht, die sich ihr Hobby von der Allgemeinheit bezahlen lässt. Deshalb konnte die gerade eröffnete Philharmonie in Paris nur gegen große Widerstände durchgesetzt werden. Auch schrecken die häufigen Kostenexplosionen solcher Bauten ab, die Philharmonien in Paris und in Hamburg sind warnende Beispiele.

Der Plan muss scheitern

Nun müsste in München der Freistaat die Baukosten aufbringen. Der BR darf wegen des Wettbewerbsrechts kein öffentliches Konzerthaus bauen; die Stadt kann nicht, weil sie für den Gasteig noch bis 2030 Leasinggebühren zahlen und ihn dann auslösen muss. Würde Reiter Geld für einen zweiten Konzertsaalbau geben, es wäre sein politisches Ende. Deshalb müsste Seehofer, der einen neuen Saal versprochen hat, zahlen.

Dass er jetzt versucht, zusammen mit der Stadt die Philharmonie umzubauen, ist verständlich, soll das doch kostengünstiger sein als ein Neubau. Dieser Plan muss scheitern; denn die Philharmonie abzureißen wäre unsinnig. Sie gilt unter Fachleuten als eine der besten in ihrer Größe, viele Akustikmängel ließen sich leicht beheben. Ein Umbau samt Entkernung aber wäre nicht in zwei Jahren zu haben, die Kosten dafür sind höher als für einen Neubau. Den wird Seehofer mit der finanziellen Unterstützung Münchner Bürger demnächst auch angehen.

Ganz einfach, weil ein Konzerthaus tatsächlich gebraucht wird - aber kein Konzertprunkbau.

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